Die unbequeme Wahrheit: Rede zur Lage unserer Nation (German Edition) by Steingart Gabor

Die unbequeme Wahrheit: Rede zur Lage unserer Nation (German Edition) by Steingart Gabor

Autor:Steingart, Gabor [Steingart, Gabor]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Penguin Verlag
veröffentlicht: 2020-08-26T16:00:00+00:00


Merkwürdige Dinge ereignen sich im Irrgarten der Gleichzeitigkeit. Eine Welt der Paradoxien ist entstanden, die immer neue Fragen aufwirft, kaum dass eine Antwort gefunden ist. Warum war am Ende einer Dekade ökonomischer Prosperität bereits vor dem Lockdown ein Dienstleistungsproletariat herangereift, das nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit fünf Millionen Menschen in Deutschland zählte?

Wer war vor der Pandemie der Treiber hinter der beschleunigten Auflösung der Normalarbeitsverhältnisse, und wie genau hängen Globalisierung, Digitalisierung und politische Polarisierung zusammen? Wie können wir die Selbstradikalisierung unseres Wirtschaftssystems überleben, ohne wirr und wahnsinnig zu werden, ohne uns vom Technikfreund, der wir immer waren, in den Maschinenstürmer zu verwandeln, der wir nicht werden wollen?

Die Antwort findet, wer furchtlos mit Jules Verne und seinem Professor Lidenbrock ins Erdinnere stapft. Wir lassen die tradierten Ebenen hinter uns, mein Freund, zwingen uns, steil bergab zu gehen, in die Tiefe zu schauen, immer in der Hoffnung, zur geheimnisvollen Quelle unseres Wohlstands vorzudringen, von der wir nur das eine wissen: Im Nebel des Gegenwärtigen und im Getöse der Jetztzeit wird sie niemals zu finden sein.

Der britische Naturschriftsteller Robert Macfarlane begleitet uns ein Stück des Weges. Er beschreibt den schmalen unterirdischen Pfad, der ins Erdinnere führt, mit folgenden Worten:

»Die Farben verdämmern ins Graue, Braune, Schwarze. Kalte Luft drängt vorbei. Der Gang fächert sich aus; ein Irrgarten. Seitengänge kriechen davon. Die Richtung ist schwer zu halten. Der Raum benimmt sich sonderbar – ebenso die Zeit. Im Unterland verhält sie sich anders. Verdickt sich, staut sich, fließt, rauscht, verlangsamt sich.«

So laufen wir denn vorbei an den Gräbern unserer ökonomischen Vergangenheit, in denen wir steinerne Faustkeile im Neandertal finden, das hölzerne Rad eines keltischen Wagens und den rostigen Pflug eines mittelalterlichen Bauern. Sie alle erzählen von der produktiven Energie versunkener Zeiten. Wir durchqueren den erst ausgelaugten und dann abgesoffenen Kohleschacht eines Reviers, in dem nun dicht gedrängt die bauchigen Dioxin-Fässer lagern, die nur darauf warten, ihre giftige Fracht ins Erdreich zu speien.

Auch das birgt das »Unterland«: ein präzises Register der in industrieller Frühzeit begangenen ökologischen Sünden. Hier unten gärt und giftet es. Und zuweilen platzt eine der toxischen Früchte. Die Stoffe der Vergangenheit kriechen dann an die Oberfläche unseres gegenwärtigen Lebens.

Doch wir wollen tiefer vordringen als die Stämme der Höhlenkundler und Archäologen, die – flankiert von Geologen und Toxikologen – bereits hier unten waren. Lass uns diese Expedition gemeinsam unternehmen, mein Freund. Lass uns wie Jules Vernes Professor, ausgestattet mit Chronometer, Nachtfernrohr und einer großen Strickleiter, ins Zentrum der Gegenwartsprobleme vordringen, das im glühend roten Kern unserer Volkswirtschaft zu Hause ist.

Am Kraterrand stehen sie alle, die Klasse der Interpretierer und Schwadronierer, aber bis ins Innerste ist bislang niemand vorgedrungen, weshalb die Expedition für Entdeckernaturen wie dich nicht ohne Reiz sein dürfte.

Es geht darum, den energetischen Kern unseres Gemeinwesens zu entdecken. Jedes Elektroauto benötigt Strom, jede Kuh braucht Gras, und die Solarfabrik ist auf Sonnenschein angewiesen. Ohne diese Antriebsenergien wäre die Kuh nicht lange Kuh, das Elektroauto ließe sich nur als überdachte Sitzgelegenheit benutzen, und die Aufbauten der Fotovoltaik müssten als Installation zur Biennale nach Venedig geschafft werden.



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