Die Spinne (German Edition) by Steinhauer Olen

Die Spinne (German Edition) by Steinhauer Olen

Autor:Steinhauer, Olen [Steinhauer, Olen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2013-02-24T23:00:00+00:00


12

Kurz vor acht Uhr morgens traf er am JFK-Terminal drei ein, dessen Dach auf unverkennbare Weise einer fliegenden Untertasse glich. Er war ein unbeschriebenes Blatt. Er hatte Papiere, Brieftasche und Telefon zurückgelassen und alle Etiketten aus seinem marineblauen Anzug herausgetrennt. Alles, was er dabeihatte, war ein gefaltetes Bündel Geldscheine und zwei Blisterpackungen Nicorette. Als er aus dem Taxi stieg, musste er erst einmal stehen bleiben, um nicht von Gepäckträgern, uniformierten Polizisten oder anderen Reisenden über den Haufen gerannt zu werden. Er brauchte einen Moment, bis er sich orientiert hatte, weil ihm die einst so vertrauten Flughäfen inzwischen verhasst waren.

Leticia Jones näherte sich bereits mit einem schwülen Lächeln. »Hi, Baby.« Sie küsste ihn auf beide Wangen. Sie sah flott aus in ihrem gestreiften Business-Rock, als sie ihn am Ellbogen durch die erste Sicherheitskontrolle in die weitläufige, stark belebte Halle führte.

»Wohin?« Alles ging so schnell, dass er kaum Luft bekam.

Sie stellte sich mit ihm vor eine Abfahrtstafel, auf der Städtenamen aus aller Welt blitzten. »Such’s dir aus.«

»Was?«

»Wie wär’s mit Las Vegas?« Sie deutete auf einen Flug um halb zehn.

Er starrte sie an. Er wusste, dass er furchtbar aussah – vor allem seine Augen –, doch das war ihm egal.

»Also lieber Boston?«, schlug sie vor. »Oder Cancún?«

»Was soll der Scheiß?«

»Nein«, meinte sie nach kurzer Überlegung. »Ich glaube, wir probieren es mit Mexiko-Stadt.«

Sie standen in der Schlange vor dem Delta-Schalter. Hinter ihnen plauderten Urlauber fröhlich über Terroristen, während vor ihnen drei mexikanische Geschäftsleute hin und wieder Worte auf Spanisch wechselten. Milo und Leticia hingegen schwiegen. Milo beobachtete Gesichter. Er brauchte nicht lange, um Chaudhury zu erspähen, der sich neben einer um ihr Gepäck gescharten Familie an einer Zeitung festhielt. Möglicherweise gab es noch mehr Beschatter, aber seine Augen tränten, und ihm verschwamm ständig der Blick. Das Gleiche galt für seine Gedanken, und irgendwann schoss ihm durch den Kopf, dass er Chaudhury in Washington umgebracht hätte, wenn er da schon gewusst hätte, was er jetzt wusste.

Als sie den Schalter erreichten, öffnete Leticia ihre kleine Handtasche und zog zwei abgegriffene Pässe heraus. »Zweimal um 9.35 Uhr nach Mexiko-Stadt.«

»Haben Sie reserviert?«, fragte die zierliche, braunhaarige Angestellte mit olivfarbener Haut.

»Auf den Namen Frederickson.« Leticia wies mit dem Kinn auf Milo. »Das ist er.« Sie beugte sich über den Schalter und fügte laut flüsternd hinzu: »Er hat schlechte Laune.«

Du hast keine Ahnung, wie schlecht, dachte er.

Mit mühsam unterdrücktem Grinsen überprüfte die Angestellte die Pässe – Gwendolyn Davis und Sam Frederickson – und druckte die Bordkarten aus. »Gepäck?«

»Nur wir beide.« Leticia nahm Milo am Arm. »Komm, Schatz.«

Als sie in der gewundenen Schlange auf die Kontrolle warteten, bemerkte er erneut Chaudhury mit einem Handy am Ohr, der seinen Lagebericht durchgab. Da Leticia sein Starren anscheinend mitbekommen hatte, sagte er: »Du hast Tickets reserviert.«

»Man muss reservieren«, antwortete sie. »Diese Maschine ist immer voll.«

»Und wenn ich mich für Cancún entschieden hätte?«

Sie lächelte. »Mr. Frederickson hat heute Vormittag für viele Flüge reserviert.«

Sie kamen reibungslos durch die Kontrolle, und als sie wieder in die Schuhe schlüpften, fragte Milo: »Soll ich jetzt verwirrt sein?«

»Das will ich hoffen.



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