Die Schauspielerin by Ruth Gogoll

Die Schauspielerin by Ruth Gogoll

Autor:Ruth Gogoll
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783941598782
Herausgeber: édition el!es
veröffentlicht: 2013-03-08T00:00:00+00:00


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Am nächsten Tag überlegte ich mir, ob ich wirklich mit nach Cannes fahren sollte. Ich hatte fast die ganze Nacht nicht geschlafen – den Rest, der noch übriggeblieben war, nachdem ich Simone verlassen hatte – und fühlte mich matschig und verbraucht. Wie hatte Simone so schön gesagt? »Wie soll das erst in Cannes werden?« Ja, das war eine gute Frage: Wie sollte das erst in Cannes werden? Wie würde ich mich fühlen, wenn ich jeden Tag mit ihr zusammen war und vielleicht jeden Tag Ähnliches mit ihr erlebte wie gestern Nacht? Würde ich das durchhalten? Wollte ich das überhaupt?

Sicherlich nicht. So etwas wollte ich nicht noch einmal erleben, weder mit ihr noch mit jemand anders. Bis auf den ersten Teil vielleicht . . . Nein! Ich riss mich zusammen. War das etwa eine Basis für eine Beziehung? Das auf keinen Fall, aber Simone hatte mir ja auch gar keine Beziehung angeboten, davon war nie die Rede gewesen. Sie hatte mir angeboten, mich sexuell zu befriedigen – nur sexuell, nicht mehr –, und das hatte sie auch ausgiebig getan. Dieses Versprechen hatte sie ausnahmsweise einmal gehalten. Und darüber hinaus hatte sie mir angeboten, mich auch an ihr zu befriedigen, ihren Körper zu benutzen, in betrunkenem Zustand – ausschließlich in betrunkenem Zustand, wenn ich sie richtig verstanden hatte. Es lief mir kalt den Rücken herunter. Wie lebte sie nur? Was tat sie?

Ich schloss die Augen und sah all die Bilder vor mir, wie sie in der Regenbogenpresse abgebildet war: lächelnd, verführerisch, elegant, damenhaft, immer vollendet frisiert und gekleidet, vom Abendkleid bis zur Jeans, je nach Anlass, stets ausgeglichen und zufrieden und – wunderschön. Das war das Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hatte und an dem sie sicher auch keinen Zweifel hegte. Ich hatte es eigentlich auch nicht getan. Ich hatte sie zeitweise sogar beneidet um ihr Leben, war wütend auf sie gewesen, dass sie in mein Leben so viel Unglück gebracht hatte und selbst offenbar so glücklich war. Diese Meinung konnte ich nach dem gestrigen Abend vergessen. Was auch immer sie sein mochte, glücklich war sie bestimmt nicht. Glückliche Menschen mussten sich nicht betrinken, um etwas tun zu können, was für andere ein selbstverständliches Vergnügen war – für mich war es das jedenfalls immer gewesen, oder sagen wir besser: meistens. Ich dachte peinlich berührt an Marion und ein paar andere Erlebnisse, die dieses Kriterium vielleicht nicht ganz erfüllten.

Dennoch: der Unterschied zu Simone war deutlich erkennbar. Was bei mir die Ausnahme war, schien bei ihr die Regel zu sein – und selbst meine Ausnahmen hatten mir mehr Vergnügen bereitet, als sie es offenbar empfand.

Aber – und das stand eindeutig fest – ich hatte ihr für Cannes zugesagt, daran gab es nichts zu rütteln. Vielleicht hatten sich die Voraussetzungen ein wenig geändert – ein wenig? Das war wohl leicht untertrieben! –, aber ich konnte meine Zusage jetzt nicht mehr zurückziehen, dafür gab es keinen Grund – jedenfalls keinen, den ich akzeptiert hätte.

Da ich bereits im Büro saß, öffnete ich mit einem Mausklick meinen Terminkalender auf dem PC und sah hinein.



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