Die romantische Schule by Heinrich Heine

Die romantische Schule by Heinrich Heine

Autor:Heinrich Heine
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau-Verlag


III.

Unter den Verrücktheiten der romantischen Schule in Deutschland verdient das unaufhörliche Rühmen und Preisen des Jakob Böhme eine besondere Erwähnung. Dieser Name war gleichsam das Schiboleth dieser Leute. Wenn sie den Namen Jakob Böhme aussprachen, dann schnitten sie ihre tiefsinnigsten Gesichter. War das Ernst oder Spaß?

Jener Jakob Böhme war ein Schuster, der Anno 1575 zu Görlitz in der Oberlausitz das Licht der Welt erblickt und eine Menge theosophischer Schriften hinterlassen hat. Diese sind in deutscher Sprache geschrieben und waren daher unsern Romantikern um so zugänglicher. Ob jener sonderbare Schuster ein so ausgezeichneter Philosoph gewesen ist, wie viele deutsche Mystiker behaupten, darüber kann ich nicht allzu genau urteilen, da ich ihn gar nicht gelesen; ich bin aber überzeugt, daß er keine so gute Stiefel gemacht hat wie Herr Sakoski. Die Schuster spielen überhaupt eine Rolle in unserer Literatur, und Hans Sachs, ein Schuster, welcher im Jahre 1454 zu Nürremberg geboren ist und dort sein Leben verbracht, ward von der romantischen Schule als einer unserer besten Dichter gepriesen. Ich habe ihn gelesen, und ich muß gestehen, daß ich zweifle, ob Herr Sakoski jemals so gute Verse gemacht hat wie unser alter, vortrefflicher Hans Sachs.

Des Herren Schellings Einfluß auf die romantische Schule habe ich bereits angedeutet. Da ich ihn später besonders besprechen werde, kann ich mir hier seine ausführliche Beurteilung ersparen. Jedenfalls verdient dieser Mann unsere größte Aufmerksamkeit. Denn in früherer Zeit ist durch ihn in der deutschen Geisterwelt eine große Revolution entstanden, und in späterer Zeit hat er sich so verändert, daß die Unerfahrnen in die größten Irrtümer geraten, wenn sie den früheren Schelling mit dem jetzigen verwechseln möchten. Der frühere Schelling war ein kühner Protestant, der gegen den Fichteschen Idealismus protestierte. Dieser Idealismus war ein sonderbares System, das besonders einem Franzosen befremdlich sein muß. Denn während in Frankreich eine Philosophie aufkam, die den Geist gleichsam verkörperte, die den Geist nur als eine Modifikation der Materie anerkannte, kurz, während hier der Materialismus herrschend geworden, erhob sich in Deutschland eine Philosophie, die ganz im Gegenteil nur den Geist als etwas Wirkliches annahm, die alle Materie nur für eine Modifikation des Geistes erklärte, die sogar die Existenz der Materie leugnete. Es schien fast, der Geist habe jenseits des Rheins Rache gesucht für die Beleidigung, die ihm diesseits des Rheines widerfahren. Als man den Geist hier in Frankreich leugnete, da emigrierte er gleichsam nach Deutschland und leugnete dort die Materie. Fichte könnte man in dieser Beziehung als den Herzog von Braunschweig des Spiritualismus betrachten, und seine idealistische Philosophie wäre nichts als ein Manifest gegen den französischen Materialismus. Aber diese Philosophie, die wirklich die höchste Spitze des Spiritualismus bildet, konnte sich ebensowenig erhalten wie der krasse Materialismus der Franzosen, und Herr Schelling war der Mann, welcher mit der Lehre auftrat, daß die Materie oder, wie er es nannte, die Natur nicht bloß in unserem Geiste, sondern auch in der Wirklichkeit existiere, daß unsere Anschauung von den Dingen identisch sei mit den Dingen selbst. Dieses ist nun die Schellingsche Identitätslehre oder, wie man sie auch nennt, die Naturphilosophie.



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