Die Religionshermeneutik Max Webers by Georg Neugebauer

Die Religionshermeneutik Max Webers by Georg Neugebauer

Autor:Georg Neugebauer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2017-02-15T00:00:00+00:00


3.7Zusammenfassung

In diesem Kapitel wurden – ausgehend von allgemeineren Überlegungen zur Anlage und zum Einsatzpunkt der Religiösen Gemeinschaften – ausgewählte Grundbegriffe derselben forschungsgeschichtlich kontextualisiert. Auf diesem Wege ist es gelungen, einerseits das intellektuelle Feld abzustecken, auf dem sie vermutlich entstanden sind. Andererseits wurden sie damit zugleich in inhaltlicher Perspektive konkretisiert. Der bisherige Stand der Forschung ist dabei teils bestätigt, teils erweitert, teils korrigiert worden.

Schon im Hinblick auf die religionsethnologischen Begriffe Webers, die in seine Überlegungen zu den archaischen Religionen einfließen, konnte ein Verdacht Stefan Breuers erhärtet werden, dass sie kaum auf eine intensive Beschäftigung mit den Theoretikern des Präanimismus, Animismus etc. schließen lassen. Wenn die Herausgeber des Sammelbands zu Max Webers ‚Religionssystematik‘ (2001) konstatieren, dass die religionssoziologischen Begriffe Webers „ohne die Vorarbeit der zeitgenössischen vergleichenden Religionswissenschaft undenkbar gewesen“949 sei, so ist diese Feststellung zu relativieren, zumindest was die Annahme betrifft, er hätte sich mit Tylor, Frazer, Tiele, Marett u. a. Hauptvertretern der damaligen Religionswissenschaft und -ethnologie eingehend befasst. Vielmehr scheint Weber die besagten Begriffe gängigen Nachschlagewerken und Überblicksdarstellungen entnommen und den eigenen Theorieinteressen entsprechend modelliert zu haben. Besondere Bedeutung ist in diesem Zusammenhang einem kurzen Beitrag Edvard Lehmanns zu den archaischen Religionen beizumessen, der im Rahmen des Hinnebergschen Monumentalprojekts der Kultur der Gegenwart entstanden war. Nicht nur Webers Terminologie, sondern auch ganze Formulierungen weisen eine verblüffende Übereinstimmung zu diesem Beitrag auf.

Nicht weniger verwickelt und komplex ist die Frage nach dem forschungsgeschichtlichen Kontext von Webers Charismabegriff. Die von ihm selbst gelegten Spuren zu Sohm und Holl sind in der Forschungsliteratur schon mehrfach verfolgt worden. Weitgehend unberücksichtigt geblieben ist jedoch der übergeordnete Diskussionszusammenhang, der für das Verständnis dieses Begriffs ausgesprochen aufschlussreich ist. Denn die Beiträge von Sohm und Holl sind Teil einer Debatte, in deren Mittelpunkt zunächst der Begriff des Enthusiasmus stand und die maßgeblich von Adolf von Harnack angeregt wurde. Als Auslöser dieser Debatte kann die 1873 wiederentdeckte und von Harnack 1883 veröffentlichte und kommentierte Didache angesehen werden. Von dieser Veröffentlichung gingen neue Impulse für die Erforschung der urchristlichen Gemeindeorganisation aus, wodurch auch der Begriff des Charisma in den Fokus des Interesses trat. Sohm, Holl und auch Weber können in dieser Beziehung als Epigonen Harnacks angesehen werden. Allerdings kommt dem Nationalökonomen in dieser Beziehung insofern eine Sonderrolle zu, als er den Charismabegriff nicht nur – wie jene drei – mit historisch identifizierbaren sozialen Phänomenen in Verbindung brachte, sondern zu einem idealtypischen Begriff der Soziologie umformte.

Im Zuge der Beschäftigung mit den religiösen Spezialisten der Religionssystematik wurden vielfältige Rezeptionsbezüge herausgearbeitet. Verschiedene Indizien weisen darauf hin, dass die Entstehung dieser Abhandlung von einer fortlaufenden Lektüre der Anthropologie Eduard Meyers begleitet gewesen ist. Ebenso setzte sich Weber mit Erwin Rohdes Psyche, Hermann Useners Götternamen und vor allem Hermann Siebecks Lehrbuch der Religionsphilosophie auseinander. Webers Bild des Zauberers ist von diesen Untersuchungen maßgeblich beeinflusst worden. Das gilt in besonderer Weise für die Annahmen, dass die Berufsmagier in keinem festen Kultusbetrieb involviert sind, dementsprechend nur punktuell und bei Bedarf in Erscheinung treten und über ein Wissen um Manipulationstechniken übernatürlicher Kräfte verfügen.

Die Begriffe des Priesters und des Propheten weisen hingegen eine frappierende Ähnlichkeit zu denen Julius Wellhausens auf.



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