Die Reinheit des Todes by Vincent Kliesch

Die Reinheit des Todes by Vincent Kliesch

Autor:Vincent Kliesch
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2010-06-22T22:00:00+00:00


29

Raphael trieb auf der Wasseroberfläche des Schwebebades, das er sich im Keller neben seinem Fitnessraum hatte einbauen lassen. Das flache Wasser hatte denselben Salzgehalt wie das Tote Meer, sodass er seine Muskulatur vollkommen entspannen konnte, um sich allein seinen Gedanken hinzugeben. Die kleine Pyramide war verschlossen, sodass er nur die wundervolle Musik Chopins aus den Boxen wahrnahm, die unter der Wasseroberfläche installiert waren. Schwerelos trieb er seit über einer Stunde auf dem Rücken und dachte sanft lächelnd an Mayflower. Heute war es endlich geschehen.

Er hatte mit ihr von einem kleinen Café in Berlin-Kreuzberg aus gechattet. Wie immer hatte er zunächst viel von sich erzählt. Er wusste, dass es seine Ehrlichkeit war, die Mayflower dazu ermutigte, ihre eigenen Wünsche und Sorgen zu offenbaren. Sie war ängstlich, das hatte Raphael von Anfang an gespürt. Doch es gab etwas, das er seit dem ersten Chat an ihr bewundert hatte: die Unverdorbenheit ihrer Seele. Sie war wie ein kleines Mädchen, das orientierungslos durchs Leben irrte und ohne es zu wissen nach jemandem suchte, der sie an die Hand nehmen und an ihr Ziel führen würde. Raphael wollte ihr diesen Wunsch erfüllen.

Die Musik ermöglicht ihm das Reisen durch die Zeit. Er sitzt mit seinem Vater an Deck eines seiner Schiffe und frühstückt. Das Schiff liegt im Hafen von Santo Tomas in Guatemala. Er kann den Regenwald sehen. Ron sitzt mit am Tisch und schneidet Grimassen. Raphael lacht; er mag den Freund seines Vaters. Martha liegt in ihrem Badeanzug am Pool. Sie ist wunderschön. Die Erinnerung ist bruchstückhaft, sie geht in Raphaels früheste Kindheit zurück. Sie ist kein Film, sondern besteht nur aus Einzelbildern.

Mayflower hatte oft Andeutungen gemacht, dass sie Raphael treffen wollte. Aber er hatte sie jedes Mal zurückgewiesen. Es war normal, einen Chatpartner früher oder später zu einem Treffen aufzufordern. Aber das war nicht, was Raphael wollte. Sie sollte sich seine Hilfe wünschen. Aus tiefster Überzeugung.

Irgendwo oben im Haus rief Martha nach ihrem Sohn. Er konnte es hören, wenn auch nur leise. Sie hatte einen ihrer reumütigen Tage. Das geschah oft, wenn sie Drogen genommen hatte. Sie weinte dann und bat Raphael um Verzeihung. Sie war ihm keine gute Mutter gewesen, und manchmal, wenn sie diese Momente hatte, wurde es ihr bewusst. Raphael ahnte nichts von ihrer fiktiven Kapsel auf dem Meeresgrund, in die sie sich immer öfter zurückzog. Er spürte aber, dass seine Mutter dem Leben mehr und mehr entwich. Er würde sie nicht mehr lange haben, und er war sich noch immer nicht sicher, ob er sich darüber freuen oder darunter leiden sollte. Sie hatte es ihm schwer gemacht, sie zu lieben.

Mayflower hatte heute wieder gefragt, ob Raphael sich nicht mit ihr treffen wolle. Aber heute war es anders gewesen. Sie hatte bemerkt, dass Raphael ein Treffen stets abgelehnt hatte, und ihm versichert, dass es ihr egal sei, wie er aussehe. Dass er sich keine Sorgen machen müsse, weil es ihr nur um eines ging: Sie wollte die wundervollen Dinge, die er ihr geschrieben hatte, endlich aus seinem Mund hören. Sie hatte



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