Die Quelle by Uwe Schomburg

Die Quelle by Uwe Schomburg

Autor:Uwe Schomburg [Schomburg, Uwe]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783404160686
Herausgeber: Bastei Lübbe Verlag
veröffentlicht: 2011-06-23T22:00:00+00:00


Kapitel 33

PARIS

Benn sah auf seine Armbanduhr. Die Zeit lief ihm davon.

Es war bereits später Nachmittag, und sie saßen seit Stunden hier im Krankenhaus fest, kamen nicht weiter.

Wenn er nicht mit Timo Moritz sprechen konnte, war seine Reise hier zu Ende. Und das Leben seiner Frau wahrscheinlich auch. Seine wachsende Nervosität war längst in unterschwellige Aggressivität umgeschlagen, die er nur noch mühsam beherrschte und die sich gelegentlich ein Ventil suchte.

Wenn er mit der Kommissarin sprach, lagen sie sich nach wenigen Sätzen bereits in den Haaren. Sie versuchte dann jedes Mal, ihn zu beruhigen, was er momentan gar nicht vertrug. Schönrederei half ihm nicht.

Und die Botschaftsunterstützung hatte auch schon ihr Fett abbekommen. Wellens hatte sich zweimal zu ihnen durchgekämpft und gefragt, wie lange es noch dauern würde.

»Ist Ihre Unterstützung auch zeitlich begrenzt?«, hatte Benn beim zweiten Mal losgebrüllt, ohne auf die Menschen um sich herum zu achten. »Ich brauche Infos. Wenn ich die habe, können wir sofort los. Wohin auch immer!«

Seit sie Timo Moritz in seiner Wohnung gefunden hatten, spukte ihm die eine Frage im Kopf herum, auf die er keine Antwort fand. Wer hatte Moritz so zugerichtet und warum?

Benn hatte die junge Französin gefragt, ob Moritz Feinde hatte, womöglich in Drogengeschäfte verwickelt war oder vielleicht Wettschulden nicht beglichen hatte. Natürlich hatte die Französin das alles verneint.

Wenn der Überfall aber mit Kempers Unterlagen zusammenhing, dann bedeutete das, dass sich noch jemand für sie interessierte. Aber wer? Und warum?

Offensichtlich waren die Unbekannten in einer ähnlichen Situation wie er selbst. Sie hatten die gleiche Spur. Was war, wenn Timo Moritz ihnen das gesagt hatte, was er selbst wissen wollte?

Dann waren sie im Vorteil. Eine weitere Woge der Unruhe schwappte wie eine Springflut über den letzten Deich. Die aufkommende Panik lähmte seine Gedanken.

Benn schloss die Augen und versuchte, das Bild seiner Frau vor seinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Ein Bild, auf dem sie lachte. Aber so sehr er sich auch anstrengte, es gelang ihm nicht. Sein Gehirn schaffte es gerade einmal, ihr Gesicht in verschwommenen Konturen zu zeichnen. Immer wieder wurde es von dem geschundenen Gesicht verdrängt, mit dem er Timo Moritz gefunden hatte.

Er versuchte, seine Gedanken mit aller Macht auf Francesca zu konzentrieren. Aber stattdessen jagten alle möglichen Gedanken durch seinen Kopf. Er sah Kemper im Wasser, dann Bilderfetzen des Überfalls im Hafen, das Gesicht des Staatsanwaltes, er roch den Rauch von Bergers Zigaretten.

Erschrocken riss er die Augen auf und blickte sich um.

Sie standen immer noch in einem überfüllten Vorraum zwischen notdürftig versorgten Kranken und Angehörigen, von denen die meisten stumpf vor sich hinbrüteten.

»So geht es nicht weiter«, sagte Benn zu der neben ihm stehenden Kommissarin, nachdem er erneut auf seine Armbanduhr gesehen hatte. »Wir können hier nicht einfach warten und zusehen, wie die Zeit verrinnt.«

»Sie haben doch den Arzt gehört. Wir dürfen nicht mit ihm reden. Außerdem kann er nicht antworten, so, wie sie ihn zugerichtet haben.«

Benn fluchte. Zunächst hatte die Freundin Timo Moritz geschützt und ihn daran gehindert, irgendeine Frage zu stellen. Und als sich dann die Ärzte um den Geschundenen kümmerten, war er ohnehin chancenlos.



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