Die Nacht der Vögel by Scholes Katherine

Die Nacht der Vögel by Scholes Katherine

Autor:Scholes, Katherine [Scholes, Katherine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2015-07-30T16:00:00+00:00


8

Benommen von Schmerz flog der weiße Vogel weiter durch die Nacht und scheute jede Bewegung seines überlasteten Flügels. Nur nach rechts konnte er sich jetzt wenden, dabei setzte er den linken Flügel ein. Und bei Gleitflügen, die ihm vorher Erholung verschafft hatten, war er nun starr in Erwartung des Schmerzes, der mit Sicherheit eintrat.

Er bemerkte kaum, dass der Hagel nachließ, der Himmel sich aufhellte. Auch nahm er den dunklen Schatten am Horizont vor ihm kaum wahr.

Dann tauchten Lichter auf, gelb leuchtende Punkte, einer dicht hinter dem anderen.

Die langen Flügel zitterten in der Luft, als der Vogel vor Überraschung einen Augenblick innehielt. Land! Und Häuser, Autos, Straßen – eine Ansiedlung von Menschen. Solche Lichter kannte der Vogel. Wie immer, wenn er sie sah, wandte er sich instinktiv ab.

Aber Hoffnung mischte sich in die Wogen der Schmerzen. Nur noch ein kleines Stück, dann würde er ausruhen können, Schutz finden vor dem Sturm. Der Vogel kämpfte sich höher hinauf, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Mit angestrengten Blicken erkundete er das Land unter sich, das vom dünnen Licht des Mondes beschienen war.

Eine schmale Landzunge war es, scheinbar mit niedrigem Gras bewachsen und übersät mit kleinen dunklen Schatten – Bäume vermutlich. Weiter vorn zog sich das schwarze Band eines Flusses hin. Es schlängelte sich von weit im Landesinneren her auf die felsige Spitze der Landzunge zu und spaltete sie in zwei Teile. Am Flussufer, nicht weit vom Meer entfernt, sah er mehrere große dunkle Flecken dicht beieinander. Bäume? Vorsprünge von Felsen? Entfernt von den Lichtern der menschlichen Siedlung schien hier die einzige Aussicht auf Schutz, den er hier auf der offenen Landzunge finden konnte. Der Vogel ließ sich sinken, schwenkte gegen die Windrichtung nach links – eine schwierige Wendung, zu der er den verletzten Flügel beanspruchen musste.

Dann heftete er seine Augen auf eine Lücke in der Reihe der dunklen Schatten vor sich und berechnete den Landeanflug: durch die Lücke hindurch und dann in den Wind drehen. Aber selbst wenn ihm bis dahin alles gelingen sollte, würde das Landen schwierig werden. Flog er zu langsam, würden seine Flügel durchsacken, flog er zu schnell, würde es zum Absturz kommen.

Da war seine Sehnsucht nach Ruhe, aber da war auch seine Besorgnis. Seit der alte Vogel sich dafür entschieden hatte, nicht mehr zu brüten, hatte es für ihn keinen Grund gegeben, an Land zu kommen. So waren mehr als drei Winter vergangen, seit er an einem härteren Ort gelandet war als auf der sanft schaukelnden See. Und jetzt musste er hier landen mit einem verletzten Bein, einem überanstrengten Flügel und mit Muskeln, die bis zum Äußersten ermüdet waren.

Die dunklen Schatten kamen näher, und der Vogel musste mit beiden Flügeln schwer arbeiten, um in gerader Linie auf die Lücke zuzusteuern. Er schüttelte den Kopf, weil plötzlich Funken vor seinen Augen tanzten – ein Schwindelanfall auf dem Höhepunkt seiner Schmerzen. Er kippte die Flügel hoch, stellte die Flugfedern auf, spreizte und senkte den Schwanz. Jetzt langsamer werden! Der Schmerz durchfuhr ihn in heißen Wogen, er presste den Schnabel zusammen. Jetzt



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