Die letzte Reckenburgerin by François Louise von

Die letzte Reckenburgerin by François Louise von

Autor:François, Louise von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Siebentes Kapitel

Der Tag von Valmy

Unsere Frühstücksstunde schlug. So lange hatte ich in fruchtlosem Wühlen in der Laube gesessen. Nun stieg ich hinunter. Die Eltern wußten bereits um die Abreise des Prinzen. Das langgehegte Geheimnis hatte sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt verbreitet.

»Er ist auf guten Wegen; Gott geleit ihn!« rief der Vater und drückte meine Hand. Die Mutter aber sagte: »Du siehst blaß und erkältet aus, liebe Tochter. Geh und ruhe ein paar Stunden.«

Aber ich durfte nicht ruhen; ich mußte Dorothee vorbereiten, die der Kraft und des Mutes mehr bedürfen würde als ich selbst. Ich kam zu spät. Schon auf der Treppe vernahm ich ihr angstvolles Stöhnen. Aus blauem Himmel hatte sie der Blitz getroffen.

Sie lag am Boden in ihren Tageskleidern. Die Arme, quer über dem Bette ausgestreckt, zuckten konvulsivisch, die Augen starrten nach der Tür, ohne daß sie die Eintretende bemerkten. »Fort, fort!« war der einzige Laut, der sich der hastig arbeitenden Brust entrang.

Ich hob sie auf das Bett und setzte mich an ihre Seite. Der Krampf währte eine Weile; endlich bemerkte sie mich und winkte leidenschaftlich, daß ich mich entferne.

»Du bist krank, Dorothee,« sagte ich. »Ich werde den Arzt rufen lassen.«

Das Wort brachte sie außer sich. »Nein, nein!« schrie sie auf. »Keinen Arzt! Ich bin gesund. Oh, nur allein, ganz allein!«

Ich zog die Bettvorhänge zusammen und tat, als ob ich mich entferne, setzte mich aber verborgen in den Hintergrund. Allmählich wurde sie ruhiger; ein Tränenstrom machte ihr Luft; ich hörte sie schluchzen, endlich nur noch leise wimmern und seufzen.

Nach einer Stunde etwa richtete sie sich auf, strich den verschobenen Anzug zurecht, trocknete ihre Augen und blickte sich scheu im Zimmer rundum. Als sie meiner gewahr ward, überflog sie von neuem ein Schauder. »Gehen Sie, Fräulein Hardine,« flehte sie. »Um Gottes Barmherzigkeit willen, lassen Sie mich allein!«

Ich entfernte mich nun wirklich; aber von Zeit zu Zeit warf ich einen Blick in das Nachbarzimmer. Dorothee saß weinend und händeringend auf ihrem Bett. Sie sprach kein Wort, aber sie war gesund.

Wochen gingen hin in mechanischem Tageslauf. Langsam brachten die Zeitungen, rascher von Zeit zu Zeit ein durchreisender Kurier Kunde über den zögernden Vormarsch der verbündeten Armeen. Am Tage des heiligen Ludwig, an welchem unser junger Held den Triumphzug nach Paris zu beschließen gehofft hatte, standen die ersehnten Retter noch diesseit der Ardennen und der Enkel des heiligen Ludwig war ein Gefangener des Tempel.

Dennoch verzagten wir nicht. Verdun hatte sich wie Longwy übergeben, und wenn von da ab wochenlang alle Nachrichten ausblieben, hielten wir uns an die Zuversicht, daß das bis dahin immer siegreiche Heer sich an einen verächtlichen Feind in seiner Flanke nicht gekehrt, in Eilmärschen die Marne überschritten und, wenn auch später als wir gehofft, doch sicher zur Stunde bereits dem gefangenen Monarchen in seiner Hauptstadt die Freiheit wiedergegeben haben werde.

Unbegreiflich hingegen und wahrhaft beängstigend war uns das Schweigen unserer heimatlichen Freunde bei der Armee, denn wenn wir auch bei dem aufgeregten Prinzen keine mitteilsame Stimmung voraussetzten, so hatte doch ein junger Regimentskamerad, der jenem als Adjutant beigegeben und



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