Die Hungerkrankheiten. Unersättlichkeit als krankhaftes Phänomen by Raymond Battegay

Die Hungerkrankheiten. Unersättlichkeit als krankhaftes Phänomen by Raymond Battegay

Autor:Raymond Battegay [Battegay, Raymond]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105605271
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-12-27T16:00:00+00:00


Die ganze Lebensgeschichte dieser jungen Frau zeigt, daß sie in ihrer Kindheit sich einerseits nicht durchzusetzen vermochte und andererseits nie jene Wärme, jene Stimulation und jene Möglichkeiten zur kognitiven Erfahrung erhalten hatte, die ein Kind zum Aufbau eines konsistenten Selbst- und Objektwerterlebens unbedingt benötigt. Sie band sich in ihrer Schwäche und in ihrem narzißtischen Fusionsbedürfnis an einen Mann, der seinerseits Ich-schwach und schwer narzißtisch gestört war, und sie erwartete von ihm ein Leben in einer vollen Symbiose. So wurde sie zu einer Komplizin in bezug auf den Drogenkonsum und die Befreiung aus der Haft. Einerseits fühlte sie, daß sie sich, um sich entfalten zu können, von ihrem Manne trennen sollte. Andererseits war sie in ihrer Schwäche und mit ihrem Minderwertigkeitsgefühl dazu nicht in der Lage. Auch erkannte sie, daß der Mann von ihr nicht lassen werde. Da sie sich nicht imstande fühlte, einerseits ohne die totale dominierende Ausdehnung ihres Narzißmus auf ihren Mann, andererseits aber auch nicht mit ihm zu leben, schaffte sie ihn aus der Welt. Nur durch das »Auslöschen« des Objektes glaubte sie, eine innere Freiheit zu erlangen, die sie bislang nicht gehabt hatte. An der Grenzsituation, in der ihr klar geworden war, daß der ihr untreue und wenig ordnungsorientierte Mann, trotz ihrer mißtrauischen Bewachung, ihr nie vollkommen zu Gebote stehen könnte, obschon oder gerade weil er sie selbst zu seiner narzißtischen Ergänzung und zur Stärkung seines Ich beanspruchte, vernichtete sie das Objekt, in der unbewußten Annahme, somit das sich ihrem Weltbezug widerstrebende Objekt auszumerzen.

Eine 30jährige Frau, die in Selbstbedienungsläden sinnlos Gegenstände zusammengestohlen hatte, für die sie in keiner Weise eine Verwendungsmöglichkeit hatte, mußte durch uns begutachtet werden. Diese Frau war in ungünstigen Familienverhältnissen aufgewachsen. Die Eltern waren geschieden worden, als sie etwa einjährig war. Bis zum vierten Lebensjahr kam sie zu den Großeltern mütterlicherseits. Als die Mutter sich in einem fernen Land wieder verheiratet hatte, wurde sie dorthin geholt. Vom Stiefvater habe sie ständig zu hören bekommen, daß sie nicht zur Familie gehöre. Auf ihren leiblichen Vater entwickelte sie einen furchtbaren Haß, da er sich nicht um sie kümmerte. Die Mutter wurde von ihr als schwach erlebt. Auf ihre Halbschwester reagierte sie mit Eifersucht. Sie sehnte sich nach Liebe, Wärme und Geborgenheit, die sie nicht bekommen konnte. Schon als Kind begann sie, kleinere Geldbeträge zu entwenden. Sie kaufte dafür Süßigkeiten für andere Kinder, um sie für sich zu gewinnen. Nach der Schulzeit beging sie kleinere Taschendiebstähle, so daß sie Schwierigkeiten an Lehrstellen bekam und einen ersten Suizidversuch ausführte. Um sich von zu Hause abzusetzen, ging sie mit einem Manne, den sie nicht liebte, eine Ehe ein. Sie ersehnte sich gleich ein Kind, damit sie sich bestätigen und ihre innere Leere ausfüllen könnte. Nachdem es zu einer Totgeburt gekommen war, beging sie wieder einen Selbstmordversuch. Die Ehe scheiterte. Nach der Scheidung ging sie gleich eine Beziehung mit einem anderen Manne ein. Als sie erfuhr, daß er ein Zuhälter war, führte sie einen weiteren Suizidversuch aus, und sie mußte psychiatrisch hospitalisiert werden. Sie lernte dann einen Mann aus dem Ausland kennen, verliebte sich in ihn.



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