Die Erfindung der modernen Demokratie by Joachim Raschke

Die Erfindung der modernen Demokratie by Joachim Raschke

Autor:Joachim Raschke
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783658286682
Herausgeber: Springer Fachmedien Wiesbaden


Partei – ein Name, viele Bedeutungen

Sprachlich und realgeschichtlich machte es allenfalls seit dem späten 17. Jahrhundert Sinn, von Parteien zu sprechen. So entstanden und verbreiteten sich in England nach 1679 die Bezeichnungen „Whigs“ und „Tories“ als Etiketten für politische Tendenzen, die man auch Parteien nannte. Die Vernetzung blieb recht lose und politische Handlungen waren durch diese großen Klammern nicht determiniert, schon gar nicht in allen Politikfeldern.

Eine erste Bedeutung von Partei meinte also Ideenströmung. Die durch eine Idee, nicht durch Organisation verbundene Gruppe von Menschen. Emphatisch hieß das „Gesinnungsgemeinschaft“ oder bei Karl Marx die „Partei im großen Sinne“. Dieser ideenbezogene Parteibegriff war so strukturarm, dass er auch als Soziale Bewegung verstanden werden konnte. Und in der Tat waren zum Beispiel in Deutschland vor 1848 beide Begriffe noch nicht deutlich voneinander getrennt.

Eine zweite Bedeutung von Partei meinte Vernetzungen auf parlamentarischer Ebene. Das entsprach der Bedeutung, die Abgeordnete in frühen Parteibildungsprozessen spielten, vor allem in den USA und Großbritannien. Auch die „Parlaments-Fraktion“ wurde lange Zeit mit Partei in eins gesetzt, bis man begriff, dass sie sich nur auf den parlamentarischen Arm des Gesamtkollektivs Partei bezieht.

Dies war in England mit seiner langen Parlamentstradition besonders ausgeprägt und hat noch die Schwierigkeiten der Wissenschaft verstärkt, herauszufinden, seit wann es denn in England „party“ gibt. Dabei schien „parliamentary party“, wie man im angelsächsischen Bereich noch heute die Parlamentsfraktion nennt, an sich klar. Vorausgesetzt, es gäbe gleichzeitig einen prägnanten Begriff für die außerparlamentarische Parteiorganisation, was aber nicht der Fall ist. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass „Partei im Parlament“ sehr Unterschiedliches anspricht, je nachdem, ob man die lockere Koordination politisch einander nahestehender Abgeordneter oder die durchformalisierte, moderne Fraktion im Auge hat.

Die dritte Stufe im Parteibildungsprozess und eine weitere Bedeutungsdimension des Parteibegriffs beziehen sich auf die außerparlamentarische Parteiorganisation. Ihre Ausbreitung in den USA, Großbritannien, Deutschland ist ein Phänomen des 19., in Frankreich sogar erst des 20. Jahrhunderts. Daraus entstand nicht selten die Verkürzung, mit „Partei“ nur die außerparlamentarische Parteiorganisation anzusprechen, obwohl die „Partei im Parlament“ doch notwendig zum Gesamtbegriff gehört.

Diese drei Bedeutungen moderner Partei sind auseinander zu halten, will man über „Parteibildung“ sprechen. Sie entsprechen auch einer historischen Abfolge: von der politischen Ideenströmung bzw. „Ideenpartei“ zur „Parlamentspartei“, schließlich zur außerparlamentarischen Parteiorganisation und zum heutigen, alle drei Bedeutungen umfassenden Parteibegriff.



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