Die Enkel der Echse by Désirée von Trotha

Autor:Désirée von Trotha
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-17T16:00:00+00:00

Januar 1997. Ganz Agadez befindet sich in einem Zu­stand der Euphorie. Die Rallye Paris-Dakar soll zum ersten Mal seit Beginn derRebellion wieder durch die Stadt führen. Die Hoffnung auf Rückkehr zur Nor­ma­lität ist groß. Die Peul haben Leder, Kupfer und Messing zu filigranem Schmuck verarbeitet. Hoteliers haben ihre Zimmer geputzt, Wirte ihre Restaurants neu gestrichen. Der Libanese im einzigen Supermarkt hat sein Sortiment erweitert. Automechaniker hoffen mit handgemalten Werbeschildern vor ihren Werkstätten Kundschaft anzulocken. Ein neues Kreuz wurde zum Gedenken an den toten Rebellenführer Mano Dayak kreiert. Seine Witwe hatte es in Auftrag gegeben. Je­der Händler, ob arm oder reich, hat sich mit Waren eingedeckt: Benzin und Diesel, Autobatterien und Ersatzteile, Schmuck, Le­der­waren, Steinskulpturen aus Timia, geschmuggelte Zigaretten aus Nigeria, Holz­masken aus dem Senegal, Stoffe aus Mali und Mauretanien … Ein Einkaufsparadies für die Rennfahrer!

Auch Hadj Sidi läßt die Schmiede unermüdlich arbeiten. Der kleine Laden ist übervoll mit glänzendem Schmuck. Viel Geld der Familie liegt in diesen Waren fest, hoffnungsvoll wartet man auf das große Geschäft: «Jetzt werden die Touristen zurückkommen, Incha Allah!»

Der 12. Januar vergeht. Agadez wartet, wartet auf Hunderte potenzieller Kunden aus fremden Ländern, die, von Soldaten bewacht in einem Camp auf dem Flughafen einquartiert wurden. Keiner darf hinaus. Keiner darf hinein. Die nigrische Bevölkerung hat das Nachsehen.

Im Camp reihen sich große Transportflugzeuge, aus deren Bauch Menschen und Ersatzteile entladen werden eindrucksvoll aneinander. Unablässige Starts und Landungen erfüllen die Luft mit Lärm und Staub. Überall werden Autos repariert: Mercedes, Fiats, Toyotas …

Rallyefahrer duschen in niedrigen Basthütten, nur ihre Gesichter sind zu sehen. Sie sind verschwitzt, gerötet und von körperlicher Anstrengung gezeichnet. Der Staatspräsident kommt zu einem kurzen Fototermin mit dem Etappensieger angeflogen. Bald verlässt seine Militärmaschine den Flughafen wieder in Richtung Niamey. Die Regierung hat Angst vor einem Übergriff noch nicht vollständig befriedeter Rebellen. Ein Clan hat sich unter der Leitung einer Französin, die mit einem inzwischen verstorbenen Rebellenführer verheiratet war, mit den Machthabern arrangiert. Bereits vor ihrer Hochzeit war die Witwe im Organisationskomitee der Rallye und jetzt mischt sie wieder mit. Geschäft ist Geschäft! Ihr Clan jubelt und verdient.

Der zweite große Gewinner an diesem Tag ist ein Italiener, der abends zum italienischen Essen zu italienischen Preisen in sein Restaurant bittet. Drinnen wimmelt es von Fremden, die zu viel trinken und zu viel bezahlen. Draußen warten die Händler zu einem quirlendem Knäul verwoben. Haussa, Peul und Kel Tamaschek hoffen auf ihre Stunde. Ein Wunder, dass nur so wenige Steine auf die offene Terrasse des Restaurants fliegen. Wie schafft es der einfache Afrikaner, dessen Hoffnung auf bescheidenes Glück immer und immer wieder enttäuscht wird, nicht zu verbittern, sondern unermüdlich von vorne anzufangen und dabei noch zu lachen?

Früh am nächsten Morgen verschwindet die Ral­lye Paris-Dakar in Richtung Tahoua. Mit dumpfem Brum­men steigen die großen Flugzeuge in raschem Takt von der Startbahn auf und verflüchtigen sich als glitzernde Illusion hinter dem Horizont.

Waren sie wirklich da? Die Tische in den Restau-­rants warten noch immer sorgfältig gedeckt. Hadj Sids Schmiede ist voller Besucher. Ein Thema beherrscht den Tag: «Warum haben sich die Fremden

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