Die Angst der Eliten by Paul Schreyer

Die Angst der Eliten by Paul Schreyer

Autor:Paul Schreyer
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Westend Verlag
veröffentlicht: 2018-05-21T16:00:00+00:00


10 Begrenzte Grundrechte

Als letzter Halt in turbulenten Zeiten gilt die Verfassung. Viele Politiker bekennen stolz, »Verfassungspatrioten« zu sein, also nicht etwa in einer Gefühlsaufwallung ihr Land zu lieben, wie man es Patrioten nachsagt, sondern nüchtern und rational dessen Gesetze zu verteidigen. Für einen Verfassungspatrioten verwandelt sich das emotional aufgeladene »Vaterland« der gemeinsamen Sprache und Kultur in den kühlen und sachlichen »Vater Staat«, der für einheitliche Rechtsnormen bürgt. Ohne Frage ist es ein zivilisatorischer Fortschritt, nicht mehr bloß den eigenen »Stamm« zu verteidigen, sondern allgemeine Prinzipien, die jeden Menschen einschließen – wie die Grundrechte.

Das deutsche Grundgesetz beginnt bekanntlich mit einer Aufzählung dieser Grundrechte, die das politische System für jeden sichtbar von einer Diktatur, einer Willkürherrschaft abgrenzen sollen: Die Freiheit der Person ist unverletzlich, alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern, eine Zensur findet nicht statt. Diese Grundrechte haben eine lange Geschichte, sie sind älter als das Grundgesetz und zum größten Teil übernommen aus der revolutionären Frankfurter Reichsverfassung von 1849. Dort hieß es unter anderem:

»Dem deutschen Volke sollen die nachstehenden Grundrechte gewährleistet seyn und keine Verfassung oder Gesetzgebung soll dieselben je aufheben oder beschränken können. Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Die Wohnung ist unverletzlich. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maaßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.«

Diese »ewig gültigen« Grundrechte wurden allerdings schon zwei Jahre darauf, nach der Niederschlagung der Revolution, von der herrschenden Elite wieder abgeschafft. Erst siebzig Jahre später, 1919, nach der nächsten erfolgreichen Revolution, fanden sie erneut Eingang in eine deutsche Verfassung. Das Grundgesetz von 1949 knüpfte daran an. Zurückverfolgen lassen sich diese Ideen noch weiter. So hatte der adlige Revolutionär Marquis de La Fayette während der Französischen Revolution 1789 eine »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« entworfen, in der zu lesen war:

»Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. Gesellschaftliche Unterschiede dürfen nur im allgemeinen Nutzen begründet sein. Der Zweck jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unantastbaren Menschenrechte. Diese sind das Recht auf Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung. Der Ursprung jeder Souveränität liegt ihrem Wesen nach beim Volke. Keine Körperschaft und kein Einzelner kann eine Gewalt ausüben, die nicht ausdrücklich von ihm ausgeht. Die freie Äußerung von Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte: Jeder Bürger kann also frei reden, schreiben und drucken, vorbehaltlich seiner Verantwortlichkeit für den Missbrauch dieser Freiheit in den durch das Gesetz bestimmten Fällen.«

Noch vor den französischen Revolutionären hatten die amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer solche Gedanken zur Grundlage ihrer Politik gemacht. Die erste bekannte Formulierung dieser Vorstellungen in einer Verfassung findet sich in der Grundrechteerklärung von Virginia vom 12. Juni 1776, entstanden noch vor der berühmten Unabhängigkeitserklärung der USA.



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