Die Adler des Varus (German Edition) by Matthias M. Hahn

Die Adler des Varus (German Edition) by Matthias M. Hahn

Autor:Matthias M. Hahn [Hahn, Matthias M.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-10T00:00:00+00:00


DIE·FURT·AN·DER·LIPPE

I. So schnell es ihre matten Beine erlaubten, hasteten die Männer hinunter in die bewaldete Ebene. Nachdem sie die Felsformation hinter sich gelassen hatten, stießen sie gegen Mittag auf jene Handelsstraße, die sie am Abend zuvor verlassen hatten und folgten ihrem Verlauf Richtung Nordosten, immer tiefer in das germanische Kernland hinein.

Unten in der Ebene veränderte der Wald entlang des Weges zusehends sein Gesicht. Die mächtigen Laubbäume machten einer geschlossenen Front von dicht an dicht stehenden Nadelbäumen Platz. Immer öfter deutete jetzt Brandgeruch auf die Nähe eines Gehöftes oder einer Siedlung hin, wurden die Baumreihen von einer ausgedehnten Viehkoppel unterbrochen, deren Zäune bis an den Straßenrand heranreichten. Auf vielen dieser gerodeten Flächen standen grobschlächtige Langhütten mit Wänden aus gespaltenen Baumstämmen. Manchmal als einzelnes Gebäude, doch meistens in Form einer ausgedehnten Siedlung, in denen germanische Bauern und Handwerker mit dicken Wollhemden und Stoffhosen bekleidet ihrer Arbeit nachgingen. Von Ulfilas und den Männern nahmen sie, wenn überhaupt, nur durch ein kurzes Aufblicken Notiz, um sich dann sogleich wieder ihrem Tagewerk zu widmen. Dennoch würde sich jeder von ihnen an die sieben Gestalten, die hier vorbeigekommen waren, erinnern können, sollte jemand danach fragen.

Seit Speratus die Reitertruppe entdeckt hatte, fürchtete Ulfilas, dass diese früher oder später hinter ihnen auftauchen würden. Und so ließ er die Männer auch an diesem Tag so schnell wie möglich marschieren und legte nur wenige Pausen ein. Während des Marsches sprach keiner der Männer ein Wort. Mit eingefallenen Mienen setzten sie einen Schritt vor den anderen, den leeren Blick starr auf den Boden vor ihren Füßen gerichtet.

Als sich die Sonne bereits wieder dem Horizont näherte, warf Ulfilas Voteporix einen fragenden Blick zu.

»Wie weit noch bis zur Furt?«

»Nicht mehr weit. Vielleicht eine Meile.«

Noch einmal trieb Ulfilas die Männer an und versprach ihnen Erholung, sobald sie den Fluss erreicht hätten. Immer weiter stolperten die Männer vorwärts, während die blutrote Sonne über ihnen in den Spitzen der Baumkronen versank. Im einsetzenden Dämmerlicht füllte sich der tief ausgefahrene Weg nun rasch mit dichtem Nebel, der vom höher gelegenen Waldboden einsickerte. Innerhalb kurzer Zeit war der Dunst so dicht, dass man keine zehn Fuß weit mehr sehen konnte.

Ulfilas lief am Ende der Kolonne. Während des gesamten Marsches hatte er unaufhörlich auf jedes kleinste Geräusch in seinem Rücken geachtet, um rechtzeitig vor den möglichen Verfolgern gewarnt zu sein. Doch der nun aufziehende Nebel verschluckte sämtliche Geräusche, sodass es nun immer schwieriger wurde, näherkommende Reiter rechtzeitig wahrzunehmen.

»Schneller«, befahl er beunruhigt.

»Schneller geht es nicht«, keuchte Voteporix vor ihm unwillig. »Wir sind bereits den ganzen Tag auf den Beinen und ich…«

»Ihr habt den Befehl gehört«, fiel ihm Metellus ins Wort. »Vorwärts!«

Voteporix stieß einen überraschten Laut aus, als die übrigen Soldaten das Tempo erhöhten und er merklich hinter die anderen zurückfiel.

In Ulfilas’ Ohren rauschte das Blut, in seiner Brust hämmerte unaufhörlich sein rasender Puls. Dazwischen das Keuchen seiner Kameraden, Schreie aufgeschreckter Tiere, Flügelschläge und das laute Knacken gebrochener Äste. Wie lange dieses eine Geräusch, das er bereits seit Stunden erwartet hatte, plötzlich inmitten all dessen lag, konnte er im Nachhinein nicht mehr sagen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.