Der Wahn Vom Himmlischen Frieden: Chinas Langes Erwachen by Peter Scholl-Latour

Der Wahn Vom Himmlischen Frieden: Chinas Langes Erwachen by Peter Scholl-Latour

Autor:Peter Scholl-Latour [Scholl-Latour, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: History, China, Asia
ISBN: 9783886803675
Google: TeMyAAAAIAAJ
Amazon: 3886803678
Herausgeber: Siedler
veröffentlicht: 1990-12-14T23:00:00+00:00


Der Abend senkte sich über dem Amur, über dem Fluß des Schwarzen Drachens, aber nicht einmal der verwaschene Sonnenuntergang brachte Konturen in diese gesichtslose Landschaft der Taiga. Ich befand mich nicht zum ersten Mal in

diesem Raum. Im Sommer 1973 war ich von Tokio mit einer Aeroflot-Maschine nach Khabarowsk geflogen und hatte dort zwei Tage am Zusammenfluß von Amur und Ussuri verweilt, ehe ich mit dem Transsibirien-Expreß nach Irkutsk weiterrollte. Khabarowsk war, ähnlich wie Blagowescensk, eine rein russische Stadt. An der Hotel-Theke wurden Schnitzereien aus Rentierknochen angeboten, die von den Ureinwohnern der sibirischen Weiten - Tungusen, Jakuten, Tschuktschen angefertigt wurden. Es waren dürftige, ziemlich kitschige Produkte. Ich mußte an gewisse kommerzielle IndianerSouvenirs in Nordamerika denken. Nur waren die Asiaten in Khabarowsk noch spärlicher vertreten als die Indianer in Minneapolis oder Kansas-City. Khabarowsk mit seinen baumbestandenen Alleen und der gepflegten Uferpromenade am Amur besaß den altmodischen Charme der Jahrhundertwende. Bemerkenswert war das Museum, nicht wegen der einfallslosen Revolutionsrelikte, sondern wegen eines großen Ölgemäldes, das die Annexion dieser fernöstlichen Region durch das kaiserliche Rußland glorifizierte. General Murawjow mit breiten goldenen Epauletten, ein Hüne an Gestalt, beugte sich herrisch über den Tisch, auf dem eine Landkarte des Amur-Gebietes ausgebreitet war. Ihm gegenüber saß in geduckter Haltung ein eingeschüchterter chinesischer Hofbeamter in der himmelblauen Seidentracht der Mandarine. Murawjow war so dargestellt, als würde er dem schmächtigen Asiaten einen heilsamen Schrecken einjagen. Mit einem dicken roten Stift beschrieb der Beauftragte des Zaren die zukünftige Grenze zwischen den asiatischen Besitzungen Sankt Petersburgs und den schrumpfenden Nordprovinzen Pekings. Es war ein Bild zur Verherrlichung des Kolonialismus' und der imperialen Landgewinnung.



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