Der Trotzkopf by von Rhoden Emmy

Der Trotzkopf by von Rhoden Emmy

Autor:von Rhoden, Emmy [Emmy, von Rhoden]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-07-29T04:00:00+00:00


Nun war alles wieder im alten Geleise! Ilse lernte jetzt mit rechtem Eifer, und schon längst war ihr das Arbeiten keine Last mehr. Das Zeichnen machte ihr besondre Freude, und seitdem der Papa so glückselig über die ihm geschenkte Rose geschrieben, strebte sie danach, auch das zu erreichen, was er in seiner blinden Liebe zu ihr schon erreicht sah. Er hielt sie bereits für eine Künstlerin, und mit Stolz hatte er ihr geschrieben, daß er die Rose habe einrahmen lassen und daß sie nun über seinem Schreibtisch hänge. Ilse war gar nicht damit einverstanden, sie wußte ja genau, wie der zärtliche Papa jeden Besuch, der zu ihm kam, zu ihrem schwachen Erstlingswerk führen werde.

Auch die Mama war hocherfreut über Ilses Weihnachtsgeschenke. Sie war froh über die Fortschritte und Ausdauer, die der Wildfang bis dahin nicht gekannt hatte. Die größte Freude indes hatte sie an Ilses Dankesbrief gehabt. Es war das erste Mal, daß sie in so herzlich warmer Weise an sie schrieb, und Frau Annes Augen füllten sich mit Tränen freudiger Rührung. Sie fühlte jetzt bestimmt, daß die Zukunft ihr Ilses volle Liebe bringen werde.

Die längst ersehnten Tanzstunden hatten bereits seit vierzehn Tagen begonnen und brachten etwas Abwechslung in das gleichmäßige Pensionsleben. Zweimal in der Woche kam von sechs bis acht Uhr abends der Tanzlehrer mit einer Geige und unterrichtete im großen Saal.

Nicht alle Zöglinge nahmen teil daran. Die jüngeren Mädchen waren noch ausgeschlossen. Melanie konnte dem neuen Vergnügen keinen Geschmack abgewinnen. Sie fand es bis jetzt ›furchtbar öde‹.

»Es ist ein furchtbar langweiliges Vergnügen, diese Hüpferei«, äußerte sie auf einem Spaziergange zu Flora, »wozu diese Pas – diese Verbeugungen? Wir können doch alle schon tanzen, und wie wir uns zu verbeugen haben – und grüßen müssen, das wissen wir doch erst recht! Wir sind doch erwachsene Mädchen!«

»Ach!« seufzte Flora, und ein schwärmerischer Blick glitt seitwärts über den spiegelglatten Teich – zu den schlittschuhlaufenden Gymnasiasten hinüber. »Ach, das möchte noch alles gehen. Das Fürchterlichste ist doch, daß wir zwei volle Monate ohne Herren tanzen müssen!«

»Wie furchtbar öde!« Melanie rief es ordentlich entrüstet. »Man behandelt uns wahrhaftig mit puritanischer Strenge! Ohne – Herren! Es ist kaum zu glauben!«

»Ja, mit puritanischer Strenge!« wiederholte Flora, der dies Wort außerordentlich gefiel. »Ich begreife nicht, warum uns der Verkehr mit den Herren so lange entzogen wird. Man behandelt uns eben wie Kinder!«

Die ›furchtbar öden‹ Monate gingen indessen auch zu Ende, und Fräulein Raimar schickte Einladungen aus an junge, wohlerzogene Herren, die das Gymnasium besuchten, und ersuchte sie, die letzten vier Wochen an dem Tanzunterricht teilzunehmen.

Mit welcher Freude diese Einladungen begrüßt wurden, braucht kaum erwähnt zu werden. Die jungen Leute sahen es als besondere Ehre an, zu den Tanzabenden in der Pension zugezogen zu werden. Diesmal brannten sie besonders darauf, weil sie behaupteten, daß noch niemals so hübsche Mädchen in dem Institut gewesen seien. Sie kannten sie von Ansehen sehr genau, denn, wenn irgend möglich, suchten sie ihnen auf den Spaziergängen zu begegnen. Nun sollten sie mit ihnen tanzen, sich mit ihnen unterhalten dürfen, es war zu



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.