Der Taifun by Essig Hermann

Der Taifun by Essig Hermann

Autor:Essig, Hermann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


* * *

Der große Krieg hatte allmählich die Welt verändert. Man aß nur noch mit Atembeklemmung und gegen Aufopferung seines Vermögens. Die Landwirtschaft hatte üppige Felder, aber die Bauern wollten auch einmal dickere Gestalt gewinnen. Der Bauch wich von den Städten und lebte in Sommerfrische. Die Reiche formten an ihrer politischen Frisur, um den Magen sein Knurren vergessen zu machen. Majestäten entthronten sich auf eigene Initiative, denn das Blut war kostbar. Man bedauerte allgemein, daß es an den Fronten in Strömen floß, während man innerhalb seiner Grenzen das altgewohnte Leben nicht aufgeben wollte. Wäre doch der Krieg geblieben wo der Pfeffer wächst! war die allgemeine Redensart. Nur einzelne atmeten den frischen Luftzug, der über den Menschen fächelte. Sie waren die Empfindenden, die Idealisten, deren Existenz erst hundert Jahre nach ihrem Tode als berechtigt anerkannt werden konnte.

Dem Doktor knurrte jedenfalls am Morgen nach der Verlobung der Magen, und er besann sich, krampfhaft auf einen Wandfleck stierend, ob durch sie überhaupt eine Wandlung zum Besseren entstehen würde, ob er nicht längst vorher verhungert sein würde, bis die Mission des Taifun und seines Hauswirts sich auch an ihm erfüllte. Er konnte doch unmöglich seine liebe Susi anpumpen, wodurch möglicherweise alle ihre Passionen zerstört wurden. Wogegen er versichert sein konnte, daß sie sich bei zuvorkommendem, galanterem Benehmen alle Liebesleiden getrost einige Wochen auflud.

Um zehn Uhr vormittags wurde er inmitten einer Lebensmittelrevolte grün und blau geschlagen, ohne irgendwelche Sünde begangen zu haben. In diesem Zustande fand ihn Käterchen, welcher er an der Ecke der Petersburger Straße das Versprechen abnahm, daß sie dem Fräulein nichts berichten sollte. Irgendeine öffentliche Zuflucht fand er auch nicht, denn wegen Fürwitzigkeit war die größte Berliner Zeitung verboten worden, und man hatte auf der Redaktion keine Zeit mehr für ihn. Die Bühnen kämpften mit der Sorge, ihr Spiel aufrecht zu erhalten. Aussichtslos und zerknirscht warf er sich zu Hause hin, zu wenig Blut im Leibe, um an der Liebe Erfrischung und Aufrichtung erfahren zu können.

Da überraschte ihn der offene Besuch der Frau Polizeirat, die ihm namens ihres Mannes ein Abstandsfrühstück brachte, das sie durch Vermittlung einer ostpreußischen Tante sehr frugal hatte gestalten können. Eine Gänsekeule und einen Hühnerflügel, sowie eine Flasche Burgunder.

Sie setzte sich selbst zu ihm an den Tisch. Er getraute sich kaum mitzukauen, weil er das für Verrat an Susanne hielt. Aber Klothilde tröstete ihn und versprach ihm, nach genossenem Imbiß ihn auch sonst in Ruhe zu lassen. Er dankte es ihr, daß sie ihm nicht mehr als Gespenst zu erscheinen versprach, wenngleich eine bezwingende Wucht von ihrer Leidenschaft ausging. Es hätte ja auf Susannes Neigung sehr ungünstig zurückwirken müssen, wenn er wie ein ausgelaugter Hering zu ihr kommen würde. Darum sollte er das etwa Verlorene durch den Burgunder wieder hereinbekommen. Es war allmählich zu bekannt geworden, daß ein einziges gutes Essen schon die Muskeln straff ziehen konnte. Ja, das waren Zeiten. Wer lernte da nicht an dämonische Schöpfungen glauben. Bald regierte wieder der Teufel in seiner Hölle, wenn man mit mehr Nacht leben mußte. Das viele helle Licht,



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