Der schwarze Tiger by Stoisser Hans
Autor:Stoisser, Hans [Stoisser, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kösel-Verlag
veröffentlicht: 2015-11-01T16:00:00+00:00
5 Der trotzige Außenseiter
»Zu Hause im Außenministerium als Direktorin für Asien, das war mein bisher leichtester Job. Die Asiaten sind geradlinig. Nicht wie die Europäer. Die sind viel zu kompliziert. Sie entscheiden nichts, überlegen wahnsinnig lange, nur um dann noch weitere Unterlagen anzufordern. Die Asiaten wissen, was sie wollen. Wir waren immer sofort einig. Innerhalb von wenigen Tagen konnten die besten und größten Projekte fixiert werden«, sagt die angolanische Botschafterin in Österreich bei einem Treffen im kleinen Kreis in Wien. »Ja, aber besteht nicht die Gefahr, dass sich Angola an China verkauft?«, fragt vorsichtig einer der Anwesenden. »Wie bitte?«, die Botschafterin wirkt plötzlich etwas erbost. »Was soll diese Frage? Wir sind ein unabhängiges Land und wissen unsere Interessen zu wahren. China baut bei uns hunderte Kilometer von Straßen und genau die brauchen wir. Möglichst schnell. Und China braucht das Erdöl, ja, das verkaufen wir ihnen. Ihr Europäer habt einfach nichts begriffen. Ihr glaubt, wir wissen nicht, was wir wollen. Ihr versteht Angola und Afrika nicht!«
»Dumme Frage«, raunt mir der neben mir sitzende portugiesische Bauingenieur zu. »Genauso wie der Präsident des Europäischen Parlaments kürzlich gemeint hat, die Kreditvergabe von Angola an Portugal wäre ein Zeichen des Abstiegs Portugals. Ihr nehmt Angola nicht für voll. Deswegen habt ihr Europäer Afrika an Asien verloren.« Der Portugiese grenzt sich von Europa ab, mit Verbitterung in der Stimme.
Der Peking Consensus
»Ich bin nicht hier, um zu helfen. Ich bin hier, um Geschäfte zu machen!« Das sagte mir der chinesische Geschäftsmann im Hotelaufzug, nachdem ich ihm erklärt hatte, dass ich als Berater des Bautenministeriums hier in Maputo sei. Und er mir gesagt hatte, dass er zu Hause in China stolzer Besitzer einer kleinen Textilfabrik sei und sich auf die Anfertigung von Militäruniformen spezialisiert habe. An diesem Tag hatte er einen wichtigen Termin im Verteidigungsministerium.
Geschäftsbeziehungen, bei denen die Partner gegenseitig ihre Interessen verfolgen, sind wichtiger als einseitige Hilfsbeziehungen. Das ist in etwa das, was in der Sprache der Hilfsindustrie als Peking Consensus bezeichnet wird. Als Gegenpol zu dem in den 1980er-Jahren entstandenen und dann viel geschmähten Washington Consensus, der als Synonym für die marktfundamentalistischen Konzepte von Internationalem Währungsfonds, Weltbank und US-Regierung angesehen wird.
Die chinesische Regierung hatte wohl schon unter Deng Xiaoping in den 1980er-Jahren begonnen, ihre Außenwirtschaftspolitik auf der Erkenntnis aufzubauen, dass Wirtschaft kein Nullsummenspiel ist und bei einer erfolgreichen Zusammenarbeit beide Seiten zusätzlichen Nutzen haben.
Die Sicherung der eigenen Rohstoffversorgung und der Zugang zu neuen Märkte für billig produzierte Konsumgüter, das waren die Interessen Chinas beim Einstieg in Afrika. Der Ausbau der maroden oder nicht existierenden Infrastruktur das Interesse der afrikanischen Länder. Zunächst sandte die chinesische Regierung staatliche Erdöl- und Bergbaugesellschaften zur Exploration der Rohstoffe nach Afrika. Als Gegenleistung baute China Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen, Wohnsiedlungen, Sportstadien, Parlamentsgebäude, repräsentative Regierungsgebäude und andere Infrastrukturen, die die Afrikaner dringend benötigten. Das ging immer sehr schnell. Hunderte oder auch Tausende chinesische Arbeiter kamen und führten die Bauleistungen aus.
Legendär sind die staatlichen chinesischen Bauunternehmen, die für ihre Arbeiten in Afrika nicht nur das gesamte Personal aus China mitgebracht haben, sondern auch sämtliche
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