Der Radieschen-Mörder: Ein perfider Garten-Krimi by Bernd Flessner
Autor:Bernd Flessner [Flessner, Bernd]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimis & Thriller, Deutschland
ISBN: 9783835413955
Herausgeber: BLV Buchverlag
veröffentlicht: 2016-10-27T23:00:00+00:00
15
Am Samstag hatten die Meteorologen für Sonnenschein gesorgt und nur einige weiße Tupfer am Himmel zurückgelassen. Ein nicht zu heißer Tag mit leichtem Wind, den die Dollingers für einen ausgiebigen Spaziergang nutzten. Der erste Abschnitt führte sie an Kunraths Haus vorbei, dem sie jedoch keinen weiteren Besuch abstatteten. Dabei war kein Polizeifahrzeug in Sicht. Das Flatterband war der einzig sichtbare Hinweis auf die Fortdauer der Ermittlungsarbeit. Was die Dollingers abhielt, war der fehlende Anlass. Sie hatten alles gesehen, was es bislang zu sehen gegeben hatte. Und die erneute Suchaktion der Polizei würden sie doch nicht rekonstruieren können. Außerdem drückte Dollingers späte Heimkehr die Stimmung.
»Den Randel hätte ich mir sparen können«, bemerkte er, als er den Giebel von Kunraths Haus über dem Grün entdeckte.
»Ich mir die Kressesuppe auch«, ergänzte Karin.
»Aber ich hab dir das doch schon gestern Abend erklärt. Es war eine Verkettung unglücklicher Zufälle.«
»Und dann lässt du dich auch noch von dieser blonden Circe zum Pferdeapfeltee einladen.«
Sie bogen nach rechts in den Wald, der vorwiegend aus Fichten bestand, zwischen denen verschiedene Farne wuchsen. An einigen wenigen Stellen behaupteten sich ein paar Steine und Felsen gegen die Nadeln von Jahrzehnten, gegen Moose und Blaubeeren. Typischer Nadelwaldgeruch empfing sie, Eichelhäher und Schwarzspecht waren zu hören.
»Ziemlich schattig«, meinte Dollinger.
»Keine Sorge, wir gehen gleich am Bach nach links. Da sind wir die Schatten los.«
Den Abschnitt bis zum Bach verbrachten sie schweigend, und das keineswegs, um die Ruhe des Waldes nicht zu stören. Dollingers Blick verirrte sich zwischen Farnen und Felsen, sprang von Stamm zu Stamm und von Ast zu Ast. Seine Frau wanderte in Gedanken, die ihn bedrängten, obwohl er sie allenfalls erahnen konnte. Ihre Miene gefiel ihm ganz und gar nicht.
Am Bach, der irgendwo in die Aisch mündete, erwarteten sie eine ungenutzte Weide und die Julisonne. Das Gras war nicht gemäht und einen halben Meter hoch. Ohne sich abgesprochen zu haben, wählten sie den Weg am Waldrand entlang, der den Hang hinunter zur Aisch führte. Obwohl sie den Blick über den Aischgrund schon oft genossen hatten, blieben sie stehen und betrachteten das einmalige Bild, das der Flusslauf und einige Nachbardörfer Biberbachs boten. Noch immer schwiegen sie. Noch immer belauerten sie sich und sorgten sich um die Laune des anderen.
»Ein schönes Fleckchen«, brach Karin schließlich das Schweigen.
»Ein Traum«, freute sich Dollinger, wobei ihm das Wort nicht gefiel. Aber ihm war so schnell kein besseres eingefallen. Das grelle Licht war ihm schlicht zu hell für einen Traum.
Während er mit dem Blick einen Storch verfolgte, der das Dorf anflog, glaubte er plötzlich, ein Déjà-vu zu erleben. Das sonderbare Donnern der Bierfässer schien sich zu wiederholen. Nur die Lautstärke und die Tonhöhe passten nicht. Dafür bestand kein Zweifel an der Richtung, aus der sich das Donnern näherte. Blitzschnell drehte er sich um. Hinter ihm rollten keine leeren Bierfässer den Hang hinunter, sondern ausgewachsene Baumstämme. Die ersten sprangen bereits über den Bach und waren bereit, sich auf sie zu stürzen.
»Karin!«
Dollinger warf sich zur Seite, packte seine Frau und riss sie zu Boden, von dem er sich mit beiden Füßen abstieß, um einen weiteren Meter zu überwinden.
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