Der Letzte meiner Art by Lukas Linder

Der Letzte meiner Art by Lukas Linder

Autor:Lukas Linder
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Der Letzte meiner Art, Lukas Linder, Familiengeschichte, Dramatiker, Held, Heldengeschichte, Bern, Karikatur, Schlächter von Marignano, Chronik, Romandebüt
Herausgeber: Kein & Aber AG
veröffentlicht: 2018-09-12T16:00:00+00:00


DRITTER TEIL

THIS GIRL’S IN LOVE WITH YOU

Im letzten Jahr tauchte an unserer Schule ein neuer Lehrer auf. Er hieß Herr Glesti und unterrichtete Musik anstelle von Herrn Tanner, der einmal zu viel Yellow Submarine gehört hatte und danach nicht mehr damit hatte aufhören können.

Herr Glesti hatte winzig kleine Löckchen, die mit seinen ebenso winzigen Äuglein ein harmonisches Duo bildeten. Er lächelte ununterbrochen. Auch dann, wenn es eigentlich gar nichts zu lachen gab. In seiner ersten Stunde stellte er sich breitbeinig vor uns hin und sang Halleluja. Da wussten wir, was es geschlagen hatte.

Der alte Herr Tanner war von Haus aus Informatiklehrer gewesen. Zwar konnte er die Tuba spielen, doch seit sie ihm den linken Lungenflügel herausoperiert hatten, fehlte ihm dafür die Kraft. Sein Unterricht bestand darin, CDs seiner Lieblingsgruppen abzuspielen.

»Die Beatles kann man auch mit einem Lungenflügel hören«, sagte er jedes Mal, wenn er das White Album in die Stereoanlage schob.

Herr Glesti hatte noch alle Lungenflügel und war auch sonst voller Tatendrang. So schleppte er einen ganzen Haufen neuer Instrumente ins Unterrichtszimmer. Flöten, Gitarren, sogar ein Schlagzeug. Die Instrumente lagen vor uns auf dem Boden, als gehörten sie einem Orchester, das vor wenigen Minuten die Flucht angetreten hatte.

»Wer kann alles ein Instrument spielen?«, fragte Herr Glesti.

Niemand antwortete. Nur weil es sich um das musische Profil handelte, bedeutete dies noch lange nicht, dass wir auch tatsächlich musikalisch waren.

»Hast du mal ein Instrument gelernt?«, fragte er mich.

»Blockflöte«, murmelte ich leise in der Hoffnung, dass es niemand hörte.

Herr Glesti klopfte mir auf den Rücken.

»Du wirst unser Flötenvirtuose!«

Dann drehte er sich zur Klasse um: »Im Moment mögen wir noch nirgendwo stehen. Doch aller Anfang ist schwer. Wir werden proben, wir werden feilen, wir werden kämpfen, und wir werden uns nicht geschlagen geben. Und am Ende spielen wir ein Konzert vor Schülern, Schulleitung, Elternschaft, und es wird ein Triumph sondergleichen!«

Das war die erste Stunde.

Später am Tag sah ich Herrn Glesti auf dem Pausenplatz. Er war gerade dabei, sein Fahrrad von Laubblättern zu reinigen. Eine Tätigkeit, die er mit einer träumerischen Langsamkeit verrichtete. Er sah aus, als könnte er bis ans Ende seines Lebens damit fortfahren. Ich hoffte, dass er mich nicht bemerken würde, und ging schnell weiter. Da wirbelte er plötzlich herum.

»Hey, da ist ja unser Flötenvirtuose!«

Worauf er den Arm hob und das Victory-Zeichen machte. Ich tat es ihm gleich. Es war ein seltsamer Moment. Zwei Sekunden später widmete er sich auch schon wieder dem Laub auf seinem Fahrradsattel. Trotzdem reichte dieser eine Moment, dass ich noch Jahre später manchmal daran dachte.

Nachdem sich sehr bald gezeigt hatte, dass niemand von uns musikalisch in der Lage war, an einem triumphalen Konzert mitzuwirken, verwarf Herr Glesti diesen Plan so leichthändig, wie er ihn gefasst hatte. Er hatte bereits ganz anderes im Sinn.

»Wir machen einen Abschlussball!«

Kurz bevor er uns dies eröffnete, hatte er sich am Wasserhahn, der sich gleich neben der Zimmertür befand, gefühlte Minuten lang gestärkt. Sein Vorgänger hatte den Hahn einzig dafür benutzt, um sich die Hände äußerst gründlich zu waschen. Herr Glesti begann seinen Unterricht



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