Der Katzenjunker by François Louise von

Der Katzenjunker by François Louise von

Autor:François, Louise von
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


IV

Als ich am Morgen heimkehrte, lag die Baronin in Beklemmung und Fieber. Freund Weise, der Dorftölpel, der ohne Wahl nun schleunigst zu Hülfe gerufen werden mußte, konstatierte eine Lungenentzündung und dringende Gefahr. Da weder die kindliche Tochter, noch die alte Hausverwalterin zur Pflege ausreichten, pries ich mich glücklich, in einer noch rüstigen Schulmeisterswitwe eine Wärterin aufzutreiben, die denn auch ihrer Schuldigkeit mit redlichem Willen und ohne allzu ärgerlichem weibischen Unverstand oblag. Da ihr Mann, wie alle ländlichen Lehrer, die Orgel seiner Kirche gespielt und Bach geheißen hatte, hörte sie, als Namensmuhme unseres berühmten Landsmannes, sich gern »Frau Organistin« titulieren, und wir gewährten ihr mit Vergnügen diesen stolzen Ohrenkitzel.

Ich schreibe keine Krankengeschichte, die in einem lieben Herzen die leidvollsten Erinnerungen wecken würde. Sind es doch lediglich deren Konsequenzen, über welche ich mich in diesem Bekenntnis zu rechtfertigen oder mindestens zu entschuldigen habe. Vor mir selbst ist es mir niemals gelungen.

In der bitterbösen Zeit, die nun folgte, erklomm die weltlustige Frau eine Seelenhöhe, die ich ihren Kräften nimmer zugetraut hätte. Sie litt ohne Klagelaut. Hatte sie in gesunden Tagen das Ende eines freudelosen Lebens herbeigesehnt, nun, da sie krank war, wollte sie leben. Sie zwang sich, Nahrung zu nehmen, die ihr widerstand, folgte der unbequemsten Vorschrift, übte jegliche Schonung, und gewiß, nicht Reiz und Lust des Daseins, Mutterängste und Mutterliebe waren es, die den Willen zum Dasein anfachten. Leider zu spät!

Es gibt ja Pflanzen auch edler Art, die ohne hohen Wärmegrad gedeihen; des Lichts aber kann keine einzige entbehren. Sie recken und strecken sich ihm entgegen, und können sie es nicht erreichen, arten sie aus oder sterben ab. Solch eine Pflanze, die sich hülflos nach dem Licht der Freude reckte, war die schöne Frau allzulange gewesen, um nun, da sie sich vorsetzte, im Schatten auszudauern, nicht wurzelkrank hinzuwelken.

Als nach etlichen Wochen die Entzündung gehoben und nur ein Übermaß der Erschöpfung zurückgeblieben war, schien sie, wie manche wirklich Kranke, an den Tod, dem sie sich in der Einbildung verfallen gewähnt hatte, nicht mehr zu denken, wenn es nicht etwa Rücksicht für andere gewesen ist, aus welcher sie das Bewußtsein seines Nahens unter einem Lächeln verbarg. Seltsame Erfahrung, daß so manches lebenslustige Weltkind mit tapferem Mute stirbt, als erfüllte es eine Anstands- oder Ehrenpflicht; dahingegen ich von keinem einzigen unlustigen Kalmäuser gehört habe, der ohne Zagen oder Verdruß aus dem Leben geschieden sei.

»Nach Gottes unerforschlichem Ratschlusse gehen Auszehrer bald nach dem Hornung ein,« erklärte die weise Michelin; aber auch wir anderen hatten sie aufgegeben. Nur Lori dachte, seitdem die Kranke das Bett wieder verlassen hatte, nicht mehr an Gefahr, und von dem, was Sterben heißt, machte sie sich kaum eine Vorstellung. Als der Tod ihr so jäh den Vater nahm, lag sie fiebernd am Scharlach darnieder; bei zurückkehrendem Bewußtsein war er auf einmal fort. Wohin? Im Himmel! Sie war dazumal auch den Jahren nach ein Kind; sie vergaß bald, was sie nicht mehr sah. Bei der Mutter hatte sie sich an einen leidenden Zustand gewöhnt; nun freute sie deren früherhin so sparsames Lächeln, sooft



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