Der Gott der Philosophen by Weischedel Wilhelm
Autor:Weischedel, Wilhelm [Weischedel, Wilhelm]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783650735775
Herausgeber: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
6. Die Problematik des Wortes „Gott“
Mit dem, was im vorangehenden über mögliche Ansätze zu einer Auflösung der Philosophischen Theologie Hegels ausgemacht worden ist, wird problematisch, was doch den Kern seiner metaphysischen Konzeption ausmacht: daß Gott das oberste Prinzip aller Wirklichkeit ist. Damit hängt zusammen, daß sich die Frage stellt, ob es überhaupt noch sinnvoll und notwendig ist, dieses schlechthinnige Prinzip Gott zu nennen. Zugleich erhält die Tatsache, daß Hegel Gott mit so vielen verschiedenartigen Ausdrücken benennt, eine kritische Bedeutung. Denn wie kann dasselbe oberste Prinzip, jenes Wirklichste der Wirklichkeit, bald als das unendliche Leben, bald als das Absolute, bald als die Wahrheit, bald als der Begriff, bald als die Idee, bald als der absolute Geist bezeichnet werden? Hegel kann offenbar den Ausdruck „Gott“ beliebig durch andere metaphysische Begriffe ersetzen. Angesichts dessen erhebt sich die Frage, ob nicht diese ausreichen, ja ob sie nicht präziser, weil philosophischer, das Gemeinte ausdrücken.
Das bleibt allerdings eine offene Frage. Interessant ist jedoch, daß Hegel sie sich selber gelegentlich vorlegt, freilich ohne sie eindeutig zu beantworten. Er erwägt, daß der Name „Gott“ möglicherweise nicht das volle Wesen des im Begriff des absoluten Geistes Gemeinten ausdrücken kann. „Wenn wir sagen ‚Gott‘, so haben wir nur sein Abstraktum gesagt … Seine Unendlichkeit ist eben dies, daß er diese Form der abstrakten Allgemeinheit … aufhebt … Damit ist er erst wahrhafte Wirklichkeit, Wahrheit,Unendlichkeit“ (R IV 77). Entsprechend führt Hegel in der Vorrede zur „Phänomenologie des Geistes“ aus, „der Name als Name“ sei „das reine Subjekt, das leere begriffslose Eine“. Er fährt fort: „Aus diesem Grunde kann es z.B. dienlich sein, den Namen Gott zu vermeiden, weil dies Wort nicht unmittelbar zugleich Begriff, sondern der eigentliche Name, die feste Ruhe des zum Grunde liegenden Subjekts ist“ (Ph 53f.).
Hegel selbst überlegt sich also, ob er auf den Namen „Gott“ verzichten solle. Das würde zwar an dem grundsätzlichen philosophisch-theologischen Charakter seines Denkens nichts ändern. Denn der Sache nach kennzeichnen auch jene anderen Benennungen des absoluten Grundes das System Hegels als Philosophische Theologie. Gleichwohl könnte der Wegfall des Wortes „Gott“ einen Schritt auf einem Wege bilden, an dessen Ende die Philosophie als Philosophische Theologie überhaupt fragwürdig wird.
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