Das Weihnachtshaus by Robin Jones Gunn

Das Weihnachtshaus by Robin Jones Gunn

Autor:Robin Jones Gunn [Gunn, Robin Jones]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644419315
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2013-12-07T05:00:00+00:00


VIERZEHNTES KAPITEL

Die kleine Julia hatte den Weihnachtsmann und die Geschenke unter dem Baum völlig vergessen, und dafür blieb sie bei mir auf der Fensterbank. Zusammen beobachteten wir zwei rotbraune Vögel, die von den eisigen Zweigen eines Apfelbaumes flogen und im frischen Schnee landeten. Sie hüpften über den makellos weißen Teppich und hinterließen auf dem Weg zum schneebedeckten Futterhäuschen winzige Spuren im Schnee. Sie flatterten und pickten im Schnee herum, bevor sie bei ihrem kalten Frühstück ankamen.

Ich strich über Julias seidiges Haar und summte das einzige Weihnachtslied, das mir in diesem Augenblick in den Sinn kam. «Stille Nacht».

Julia lehnte sich an mich und seufzte zufrieden.

Es war ganz still. Es war ganz hell.

In diesem zeitlosen Augenblick auf der Fensterbank verstand ich, und es kam mir vor wie ein Geschenk. Ich verstand, wie selig meine Mutter gewesen sein musste, wenn sie mich in den Armen hielt. Ich war ihr Baby gewesen. Sie hatte ihr Bestes gegeben und mich geliebt, trotz ihres unsteten Lebens.

Ich hatte es meiner Mutter übelgenommen, dass sie so viele Jahre in ihrer eigenen Märchenwelt lebte, doch das alles verflüchtigte sich nun, als ich den Atem der kleinen Julia spürte, die mir ihr ganzes Vertrauen schenkte. Wie könnte eine Frau darauf verzichten, ein kleines Abbild von sich selbst großzuziehen, es tapfer zu beschützen, zu ernähren und sich an diesem Wunder zu freuen?

Meiner Schätzung nach war meine Mutter achtzehn gewesen, als ich geboren wurde. Vielleicht neunzehn. Ob sie Verwandte hatte, zu denen sie mich hätte schicken können, weiß ich nicht, sie hat nie welche erwähnt. Sollte sie erwogen haben, mich zur Adoption freizugeben, so hatte sie das mit sich selbst ausgemacht.

Sie hatte entschieden, dass wir beide zusammenblieben, und nun verstand ich auch, warum. Es war die Nähe. Es war die Möglichkeit, wunderbare Momente gemeinsam zu erleben. Meine Mutter hatte mich gewollt. Allein das war ein kostbares Geschenk.

Diese Wahrheit war das Geschenk, das ich an diesem Weihnachtsmorgen bekam. Meine Mutter hatte mich gewollt. Sie wollte mich nah bei ihrem Herzen. Und sie hat mich immer dort behalten.

In diesem Augenblick, an diesem Weihnachtsmorgen, während ich Julia fest in den Armen hielt, blickte ich aus dem mit Eisblumen bedeckten Fenster und sprach Eve Carson, die Schauspielerin, von all ihren Verfehlungen mir gegenüber frei. Dann dankte ich Eve Carson, der Mutter, für alles, was sie richtig gemacht hatte, indem sie bewies, wie sehr sie mich gewollt hatte.

Und ich fragte mich: Wenn sie noch leben würde und wenn ich sie gefragt hätte, wer mein Vater ist? Hätte sie mir dann die Wahrheit erzählt? Ich weiß, ich hätte lieber eine Notlüge gehört als die unabänderliche Wahrheit. Und trotzdem fragte ich mich: Was hätte sie dazu gesagt, dass ich hier war, in diesem Haus, bei diesen Menschen? Welche Einzelheiten über mein Leben hätte sie preisgegeben?

«Was ist mit dem Weihnachtsmann?» Julia hob den Arm und berührte meine Wange. «Und mit den Geschenken? Wir müssen nach den Geschenken schauen.»

Ich half ihr von meinem Schoß hinunter, und wir waren gerade dabei, die restlichen Stufen auf Zehenspitzen hinunterzugehen, als ich hörte, wie sich auf dem Flur über uns eine Tür öffnete.



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