Das unvollendete Weltreich: Aufstieg und Niedergang des Britischen Empire 1600-1997 by John Darwin
Autor:John Darwin [Darwin, John]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Commonwealth, Handel, Weltreich, Imperialismus, Seefahrt, Englisch, Globalgeschichte, Britisches Empire, Kolonialismus, Kolonialgeschichte
Herausgeber: NW95__B00CYXVLZY
veröffentlicht: 2014-04-13T22:00:00+00:00
Siedleraufstände
Die britische Regierung hatte allen Grund, von den Aufständen, mit denen sie konfrontiert wurde, jene der Siedler am meisten zu fürchten. Das lag nicht zuletzt daran, dass in solchen Fällen die eigene politische und militärische Taktik sowohl im Mutterland als auch in Übersee aufmerksam und häufig extrem kritisch verfolgt wurde. Immerhin war es ein Kennzeichen der meisten Siedlergesellschaften, dass sie zahlreiche Verbindungen nach Großbritannien und viele Freunde und Anhänger dort hatten. Rebellische Kolonisten schickten bereitwillig Informationen, um den Kritikern neue Munition zu liefern. Es fiel der Regierung oder der machthabenden Partei zwangsläufig schwerer, die britische Meinung auf eine Linie einzuschwören – selbst wenn ein Versagen in diesem Punkt wiederum die Siedler anspornen dürfte. Der Unterschied zu aufständischen Nichtsiedlern war naheliegend und eklatant zugleich: Diese verfügten in den seltensten Fällen über politische Verbündete, die sich ihre Sache auf die Fahne schrieben, geschweige denn Kontakte, über die sie ihr Anliegen in der Presse publik machen konnten. Es fiel der Regierung immer viel leichter, ihre Aktionen und Ziele in einem möglichst schlechten Licht darzustellen, ihre »Wildheit« herauszustreichen und die Existenz echter Beschwerdegründe einfach abzustreiten. Ein weiterer Vorteil bestand darin, dass die Niederschlagung des Aufstands, so brutal die angewandten Methoden auch sein mochten, mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit im eigenen Land großes Aufsehen erregten, geschweige denn kritische Kommentare auslösten.
Aber das war noch nicht alles. Die koloniale Autorität über Siedlergesellschaften war zwangsläufig, und zwar fast von Anfang an, zerbrechlich – außer sie hatten besondere Gründe (wie die Weißen in Britisch-Westindien), sich loyal zu verhalten. Sie war nicht so sehr auf Kollaboration angewiesen, sondern stützte sich auf eine ausdrückliche Zustimmung, in der Regel durch ein repräsentatives Gremium. Es gab kein »Recht«, Abgaben in der Form zu erheben, wie die Briten es in Indien geerbt hatten, und praktisch von der ersten Siedlung an bestand eine Übereinkunft, dass lediglich in außergewöhnlichen Umständen gegen die Gesetze der Kolonie ein Veto eingelegt wurde. Der Gouverneur als Vertreter des imperialen Zentrums verfügte über wenig lokale Mittel und Ressourcen und musste zusehen, wie seine Schirmherrschaft von eifersüchtigen Versammlungen gestutzt wurde. Wenn er sich zu behaupten versuchte, dann schlug ihm ein ideologischer Proteststurm gegen die Einschränkung der Rechte freigeborener englischer Bürger entgegen sowie die grobe Unterstellung, er hege despotische Ambitionen. Schlimmer noch, die ihm untergebenen Siedler waren beunruhigend rasch imstande, politische Aktionen zu mobilisieren. Zeitungen und andere Printmedien wie Flugblätter und Handzettel konnten die öffentliche Meinung sammeln. Die alltäglichen Einrichtungen des Koloniallebens (Schiedsgerichte, Stadtversammlungen, selbst Zusammenkünfte bei Rennen) ermöglichten es der Bevölkerung, sich zu organisieren, sich eine Meinung zu bilden, diese zu verfestigen und ihre Stärke zu demonstrieren. Vor allem – und hier war der Gegensatz zu den meisten Nichtsiedlervölkern besonders ausgeprägt – waren Siedlergesellschaften unweigerlich bewaffnet und ihre lokalen Milizen verkörperten häufig eine politische und eine militärische Einheit.
Das waren lauter gute Gründe für die Kolonialregierung in London, sich an eine politische Linie zu halten, die Edmund Burke mit seinem berühmten Ausspruch als »heilsame Vernachlässigung« bezeichnete. Aber es war nicht immer möglich, geschweige denn ratsam, diesen weisen Rat zu befolgen. Erstens erregte kaum ein
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