Das Träumerlein by Lise Gast

Das Träumerlein by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-20T23:00:00+00:00


* * *

Ganz so fröhlich, wie Großmutter es sich mit den zwei Enkelkindern vorgestellt hatte, wurde es nicht. Merkwürdig! Jochen war unbeschwert und lustig, und der Besuch mit dem Affen wurde auch ein voller Erfolg. Dann aber — Großmutter beobachtete es seufzend — fiel Gisela wiederum in ihre Nachdenklichkeit zurück.

Sie sagte nichts, sie klagte nicht, sie schrieb artig nach Hause, wenn man es ihr auftrug. Aber wenn man sie mit Jochen spielen sah, dann hörte man nur ihn lachen. Freilich, ein lärmendes Kind war Gisela nie gewesen. Doch Großmutter war nun fest davon überzeugt, daß ein verborgener Kummer zugrunde lag. Wie aber sollte sie dahinter kommen, wenn Gisela nicht sprach?

Merkwürdigerweise war es Jochen, der, ohne es zu wissen, ihr half, das Rätsel zu lösen. Sie weckte ihn eines Morgens mit der Frage, ob er mit ihr zur Stadt gehen wolle. Sie habe einiges zu besorgen, und dabei könnten sie nach Herzenslust zusammen Schaufenster ansehen. Jochen, der in seinem Leben noch selten Spielzeugläden gesehen hatte, sprang geschwind aus dem Bett, Großmutter zog ihm das neue, hellblaue Leinenhöschen zum weißen Hemd an.

„Aber erst mußt du frühstücken, das gehört dazu. Und dann fahren wir mit der Straßenbahn!“

Jochen war sehr glücklich. Er sprang an Großmutters Hand dahin, fragte viel und lachte. Sie fuhren in die Stadt hinein, und Großmutter erledigte erst alles, was sie zu besorgen hatte. Das war zum Glück bald getan. Dann gingen sie in eine Konditorei, und Jochen durfte sich etwas Schönes aussuchen.

„So, und nun können wir in aller Ruhe Schaufenster anschauen“, sagte Großmutter, „vielleicht findest du auch etwas, was du dir zum Geburtstag wünscht. Aber natürlich nicht tausenderlei! Dein Geburtstag ist ja nicht mehr fern, freust du dich denn schon?“

„Und wie, Großmutter!“

Sie gingen los. Es war wirklich überwältigend für einen kleinen Landbuben, was es da alles zu sehen gab! Aber Jochen war nicht unbescheiden, er schien gar nicht zu glauben, daß man das alles auch kaufen könnte. Das Anschauen war ihm vorläufig noch genug.

Natürlich interessierten ihn vor allem die kleinen Eisenbahnen und Autos. Sie standen lange vor einem Schaufenster, in dem eine kleine elektrische Eisenbahn durch Tunnel, Bahnhof und Schranken sauste. Aber auch sonst entging seinen gar neugierigen Augen nichts. Bei einem kleinen Erntewagen bemängelte er die Anspannung.

„Das ist falsch, so kann kein Pferd ziehen.“ Ein Herr neben ihm lächelte Großmutter zu.

„Es gibt doch noch kleine Landwirte“, sagte er freundlich. Dann kamen sie an ein Schaufenster, in dem Puppen ausgestellt waren. Und da geschah es.

„Guck, Großmutter, das Träumerlein!“ sagte Jochen und drückte seinen kleinen dicken Zeigefinger an die Scheibe, so daß dort ein runder, behauchter Fleck entstand. Die Großmutter wunderte sich.

„Ja, kannst du denn lesen?“

Mitten zwischen andern Puppen lag dort in einer Wiege eine Käthe-Kruse-Baby-Puppe, sehr hübsch eingebettet, mit Fläschchen und Klapper. Darunter stand: ‚Das Träumerlein‘. Woher weißt du denn, daß das ein Träumerlein ist?“

„Das kenn ich doch“, sagte Jochen, „so eins hatte Gisela. Das war die Puppe, die sie im Garten liegengelassen hat, und die dann ganz kaputt war. Ganz zerweicht vom Regen, und die Hunde hatten alles auseinandergerissen.“

„So?“ staunte Großmutter.



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