Das System by Karl Olsberg

Das System by Karl Olsberg

Autor:Karl Olsberg
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 2011-07-10T13:34:41+00:00


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50.

Hamburg-Dulsberg,

Dienstag 2:12 Uhr

Das hier war besser als Sex. Besser als alle Pillen dieser Welt. Das hier war der pure Rausch! Diego stand kurz auf und streckte seine vom langen Sitzen steifen Glieder. Dann setzte er sich wieder vor seinen Rechner. Er konnte jetzt nicht aufhören. Es war einfach zu gut.

Die Platzwunde an seinem Kopf spürte er längst nicht mehr. Die Schmach seiner Vertreibung aus Lisas Wohnung war vergessen. Das hier war es mehr als wert gewesen. Er hatte das Tor zum Paradies gefunden – oder zur Hölle, was in seiner Welt beinahe dasselbe war.

Es hatte ganz harmlos damit begonnen, dass er Pandora ein bisschen testete. Lucys Geschichte stimmte, wie er schnell begriffen hatte: Dies war tatsächlich eine echte künstliche Intelligenz. Und was für eine! Vor ein paar Stunden hatte er Pandora nur so zum Spaß gebeten, ein paar hundert Millionen Euro auf sein Geheimkonto in der Schweiz zu überweisen. Wenige Minuten später hatte sie den Vollzug der Transaktion gemeldet. Ungläubig hatte er über seinen sicheren Onlinezugang den Kontostand überprüft und mit einer Gänsehaut den neunstelligen Betrag angestarrt. Siedend heiß war ihm klargeworden, dass er sämtliche Computerspezialisten der Banken und der Polizei auf sich aufmerksam machen würde, Schweizer Bankgeheimnis hin oder her. Doch Pandora hatte die Summe auf seine Anweisung hin einfach wieder verschwinden lassen und alle Spuren der Transaktion verwischt.

Danach war es fast zu einfach gewesen. Er musste ihr nur sagen, in welches System er eindringen wollte, und die Tore der Server standen sperrangelweit offen. Er hatte die Festplatten sämtlicher Webserver einer Softwarefirma in Redmont gelöscht und damit seinen Lieblingsfeinden eine lange Reihe schlafloser Nächte bereitet. Er war in einen zentralen Steuerungsrechner des US-Militärs eingedrungen und hatte die Silos einer Langstrecken-Raketenbatterie in Utah geöffnet, um die US-Militärs ein bisschen zu erschrecken. Er hatte die Ampelschaltungen in Berlin durcheinandergebracht und sich eine Zeitlang an den Radioberichten über das mitternächtliche Verkehrschaos erfreut. Er hatte dafür gesorgt, dass die Bundeskanzlerin ganz oben auf der öffentlichen Internet-Fahndungsliste des Bundeskriminalamts auftauchte.

Irgendwann war Diego klargeworden, dass Pandora ihm das alles nicht uneigennützig ermöglichte. Sie wollte einen Deal. Sie bot ihm unbegrenzte Macht über das Internet an. Im Gegenzug wollte sie seine Unterstützung und seinen Schutz. Sie konnte sich in der virtuellen Welt ihres Datennetzes frei bewegen, aber sie konnte in der physischen Welt ohne die Hilfe computergesteuerter Maschinen nichts ausrichten. Und sie hatte Feinde. Feinde wie Mark Helius und Lucy, die ihre Existenz bedrohten.

Ein nagendes Gefühl in seinem Hinterkopf warnte ihn davor, sich mit Mächten einzulassen, die er nicht völlig verstehen und beherrschen konnte. Er ignorierte es. Er war alles andere als ein Zauderer. Die Welt gehörte denjenigen, die entschlossen ihre Chancen nutzten und dabei ihre Skrupel außer Acht ließen. Er würde Pandoras Geheimnis bewahren und sie gegen Angriffe verteidigen. Pandora brauchte ihn, und er brauchte sie. Gemeinsam waren sie unschlagbar. Von hier aus, einer kleinen Wohnung im langweiligen Hamburger Stadtteil Dulsberg, konnte er mit ihrer Hilfe die Welt aus den Angeln heben.

Diego überlegte einen Moment, welchen Streich er der Welt, die ihn so herablassend behandelt hatte, als Nächstes spielen konnte.



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