Das Sozialprofil des Bundesnachrichtendienstes by Christoph Rass

Das Sozialprofil des Bundesnachrichtendienstes by Christoph Rass

Autor:Christoph Rass
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ch. Links Verlag
veröffentlicht: 2015-12-31T16:00:00+00:00


Abbildung 76: Verteilung der Wehrmachtsveteranen auf die Teilstreitkräfte

Im Vergleich zu den bisher beobachteten Mustern entwickelte sich die Personalfluktuation dieser Personengruppe ungewöhnlich. Rund 45 % der Abwehrleute stießen schon zwischen 1946 und 1948, also in den Gründungsjahren der Org. Gehlen, zum Nachrichtendienst. Nach einem deutlichen Absinken erfolgte die zweite Welle von Zugängen während der massiven personellen Expansion des Bundesnachrichtendienstes ab 1955/56. Nach 1963, so zumindest der Befund in der Stichprobe, kam kein vormaliger Angehöriger des Geheimdienstes der Wehrmacht mehr zum Bundesnachrichtendienst. Interpretiert man vormalige Abwehrangehörige und Wehrmachtsveteranen mit nachrichtentechnischer Ausbildung als zwei Kollektive von Spezialisten, fällt auf, dass Ende der 1940er-Jahre eine signifikante Gruppe mit geheimdienstlichen Erfahrungen zur Org. Gehlen stößt und Anfang der 1950er-Jahre in einer zweiten Welle das Segment der Nachrichtenleute überproportional stark anwächst. Beim Aufbau des Bundesnachrichtendienstes erhalten dann beide Gruppen einen weiteren Wachstumsschub.

Im Zugangsmuster des Abwehrpersonals lässt sich zunächst keine geschlechterspezifische Differenzierung feststellen: Weibliche Abwehrangehörige finden sich bereits unter den Zugängen der 1940er-Jahre. Sie bildeten allerdings zwischen 1959 und 1963 eine leichte Mehrheit unter den Neuzugängen, was mit dem stark ansteigenden Frauenanteil in diesem Zeitraum des schnellen Personalaufbaus korrespondiert. Der Befund unterstreicht, dass männliche Abwehrveteranen gerade in der Gründergeneration der Org. Gehlen stark vertreten waren; ihr quantitativer Anteil am Gesamtpersonal blieb gleichwohl marginal. Er lag zwar 1946 immerhin um 12,7 % und stabilisierte sich in der erste Hälfte der 1950er-Jahre auf Werte um 5 %. Ab 1956 aber trat ein stetiger Rückgang ein, sodass 1950 nur noch 2,5 % des ND-Personals aus vormaligen Abwehrmitarbeitern bestanden und 1968 ein Wert von 1,1 % erreicht war. Die Verlaufskurve in Abbildung 77 weist entsprechend eine im Vergleich ungewöhnliche Stagnation ab etwa 1958 und ein quantitatives Schrumpfen ab 1963 aus. Vor 1963 verließen jedoch eher wenige vormalige Angehörige der Abwehr den Dienst. Bis zu diesem Jahr hatte nur ein Vierteil der bis dahin rekrutierten Abwehrleute den Dienst beim BND wieder quittiert, bis 1968 sollte es rund die Hälfte werden. Rund 60 % dieser Vorgänge entfielen allein auf die Jahre 1964 bis 1968. Bei einer mit den Ergebnissen zu den Mitgliedern von NS-Organisationen verschränkten Betrachtung wird deutlich, dass die alten Abwehrleute im BND bzw. in der Org. Gehlen ihre Affinität zum Nationalsozialismus durch die Mitgliedschaft in NS-Organisationen ausgewiesen hatten.101 Der Anteil der vormaligen Mitglieder in NS-Organisationen unter den ehemaligen Abwehrangehörigen in BND bzw. in der Org. Gehlen lag mit 40,4 % zwar nur leicht über dem Wert der Wehrmachtsveteranen insgesamt (38 %). Der Anteil der ehemaligen NSDAP-Angehörigen unter den Abwehrmitarbeitern indes war mit 28 % zu 23 % unter den Soldaten deutlich erhöht.



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