Das Original (German Edition) by John Grisham

Autor:John Grisham [Grisham, John]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2017-08-20T16:00:00+00:00

5.

Der zweite, neue Roman fand nach nur fünftausend Wörtern und drei Kapiteln ein abruptes Ende, denn an der Stelle hatte Mercer bereits genug von ihren Charakteren und fand die Handlung sterbenslangweilig. Frustriert, deprimiert, sogar ein klein wenig wütend auf sich selbst und den ganzen Prozess zog sie einen Bikini an – den kleinsten in ihrer wachsenden Sammlung – und ging zum Strand. Es war erst zehn Uhr, aber sie hatte gelernt, die Mittagssonne zu meiden. Von zwölf bis etwa siebzehn Uhr war es im Freien einfach zu heiß, egal, ob man im Wasser war oder nicht. Ihre Haut war inzwischen gebräunt genug, und Mercer befürchtete, zu viel Sonne abzubekommen. Zehn Uhr war außerdem die Zeit, um die der Jogger vorbeikam, ein ihr unbekannter Mann, der etwa in ihrem Alter war. Er rannte immer barfuß am Rand des Wassers entlang, und sein schlanker, athletischer Körper glänzte vor Schweiß. Er war offensichtlich Sportler, hatte einen flachen Bauch und beeindruckende Oberarm- und Wadenmuskeln. Der Mann pflegte einen eleganten, fließenden Laufstil und schien ein kleines bisschen langsamer zu werden, wenn er sie sah – jedenfalls redete Mercer sich das ein. In der letzten Woche hatten sie mindestens zweimal Augenkontakt hergestellt, und sie war der Meinung, dass es Zeit für das erste Hallo war.

Sie stellte ihren Schirm und den Klappstuhl auf und cremte sich mit Sonnenschutz ein, während sie im Auge behielt, was südlich von ihr passierte. Er kam immer von Süden, aus der Richtung, in der das Ritz und die schicken Eigentumswohnungen lagen. Sie breitete das Strandtuch aus und legte sich hin. Dann setzte sie Sonnenbrille und Sonnenhut auf und wartete. Der Strand war praktisch leer, wie immer unter der Woche. Sie hatte vor, zum Wasser zu laufen, wenn sie den Jogger sah, und zwar so, dass sich ihr Weg mit seinem kreuzte. Und dann wollte sie ihn mit einem lässigen »Guten Morgen« festnageln, was an diesem freundlichen Strand durchaus üblich war. Mercer stützte sich auf die Ellbogen, und während sie wartete, versuchte sie, sich nicht für eine weitere gescheiterte Autorin zu halten. Die fünftausend Wörter, die sie gerade gelöscht hatte, waren der größte Schund gewesen, den sie je geschrieben hatte.

Der Jogger war seit mindestens zehn Tagen da, zu lange für einen Hotelaufenthalt. Vielleicht hatte er für einen Monat eine Wohnung gemietet.

Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt schreiben sollte.

Er war immer allein, aber da er zu weit weg gewesen war, hatte sie nicht erkennen können, ob er einen Ehering trug.

Nach fünf Jahren mit wenig überzeugenden Charakteren, schwerfälliger Prosa und Ideen, die so schlecht waren, dass sie sie nicht einmal ansatzweise gut fand, war sie fest davon überzeugt, dass sie nie wieder einen Roman zu Ende schreiben würde.

Ihr Handy klingelte, und Bruce sagte: »Ich hoffe, ich störe das Genie nicht bei der Arbeit.«

»Aber nein, gar nicht«, erwiderte sie. Genau genommen liege ich fast nackt am Strand und überlege, wie ich einen mir unbekannten Mann ins Bett bekomme. »Ich mache gerade Pause.«

»Gut. Mercer, wir haben heute Nachmittag eine Signierstunde, und ich mache mir ein wenig Sorgen wegen der Resonanz.

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