Das Geschlechtsleben der Hysterischen by Siegfried Placzek

Das Geschlechtsleben der Hysterischen by Siegfried Placzek

Autor:Siegfried Placzek [Placzek, Siegfried]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: A. Marcus & E. Weber's Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Der hysterische Mann

Es ist noch nicht lange her, daß die männliche Hysterie überhaupt anerkannt ist, galt doch Hysterie als Privileg des weiblichen Geschlechts. Und auch heutzutage weiß die große Masse der Ärzte wohl von einer Unfallhysterie des Mannes, doch wenig von der andersartigen, durchaus als Parallelerscheinung der weiblichen Hysterie geltenden Krankheitsform des Mannes. Nur wenige Erfahrungen aus der lebenswahren Wirklichkeit mögen es bekräftigen.

Ein ausgesprochen schwer hysterischer Jüngling erreicht, nachdem er die Schulklippen mühselig überwunden hat, als Kaufmann auffallend schnell Erfolge, materielle und äußere. Das weckt seinen Tatendrang immer mehr, bringt ihn zu gewagtesten Manipulationen, bis die ganze Herrlichkeit jäh zusammenbricht. Er flieht, irrt planlos umher, wird in Dämmerzuständen ausgesprochener Art beobachtet. Gerade diese Ausnahmezustände, d. h. anfallsweise, in sich sehr verschiedene Erscheinungen, die sich von seinem Verhalten in der Zwischenzeit bemerkenswert abheben, erweisen zweifelsfrei die Hysterie. Anfangs blieb Patient längere Zeit unansprechbar, fast stupurös. Allmählich wurde er lebhafter, beobachtete seine Umgebung und sprach sich mehr aus, bis er zuletzt ganz frei und ausführlich (mit schriftlichen Vorbereitungen) erzählte. Zwischendurch bekam er Anfälle, in denen er heftig zuckte, steif wurde, leichte Halbkreisstellungen einnahm, mit den Augen rollte, die Fäuste ballte, sich im Bett herumwarf, mit den Zähnen knirschte und nicht sprach. Es gelang nicht, ihn zu erwecken. Der Oberkörper wurde halb aufgerichtet, hing frei in der Luft und pendelte hin und her, oder der Patient stand im Bett aufrecht mit geschlossenen Augen, verzücktem Gesichtsausdruck, theatralischen Gesten und sang Opernarien. Auf Anruf reagierte er nicht, auch nicht auf die tiefsten Nadelstiche, legte sich dann plötzlich nieder. Recht auffällig war seine Schreibweise in ihrer übertriebenen pathetischen Art.

Dieser ausgesprochene Hysteriker aus erblich belasteter Familie hat sexuell sich in seltsamster Form betätigt. So photographierte er sein Verhältnis nackt, verkehrte gleichzeitig mit mehreren, lud andere zum Sekt ein und photographierte sie dann nackt, um künstlerische photographische Aufnahmen anzufertigen. Er hatte eine eigenartige Bibliothek übelster Sexualliteratur, auch eine große Sammlung unzüchtiger Bilder.

Ein zweites Beispiel: Ein Leutnant mit selten schwer belasteter Heredität von Vaters Seite, der schon in frühester Jugend die schädigenden Einwirkungen des Alkohols kennen lernte und seelische Schokmomente mannigfachster Art erfuhr, mußte schon die Schule wiederholt wechseln, obwohl er nicht unbegabt war, und konnte erst nach mancherlei Mühe das Einjährige erwerben. Im Krieg geriet er bald in Gefangenschaft, wurde dort dreieinhalb Jahre festgehalten, von Lager zu Lager geschleppt, mußte viel Elend, auch Haftstrafen erdulden, suchte sich durch Nikotin und Alkohol zu betäuben. Nicht verwunderlich, daß er, heimgekehrt, wesentlich verändert war. Er wurde sprunghaft, bald lebhaft, bald stumpf, bald zu exzessivem Betäubungstaumel geneigt. Früher feinfühlig, erschien er jetzt gleichgültig gegen das Urteil der Umwelt, unwahr im Reden und Handeln, kurz, wandelte sich durchaus. In dieser seelischen Umformung, die gar nicht anders wie als hysterische Reaktion, erwachsen auf degenerativem Boden und durch äußere Schädlichkeiten zum Aufflammen gebracht, gedeutet werden kann, geriet er in die Hände einer »Künstlerin«, die schon vor Jahren den ganz jungen Menschen in die Mysterien der Liebe eingeführt hatte und perverse, anscheinend früh erwachte Triebregungen masochistischer Art trefflich auszunutzen wußte. In dem krankhaft umgewandelten Menschen findet



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