Das geheime Verlangen der Sophie M. by Morgan S

Das geheime Verlangen der Sophie M. by Morgan S

Autor:Morgan, S [Morgan, S]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-11-08T23:00:00+00:00


10. KAPITEL

Der Umzug stand lange bevor, dennoch kam er fürchterlich schnell. Ich hatte drei Jahre bei meiner Zeitung gearbeitet. Bei Lokalredaktionen beginnt man normalerweise mit einem niedrigen Gehalt, das sich nicht sehr steigert, wenn man nicht befördert wird. Dazu muss man sich spezialisieren oder in die Chefetage ziehen, und die erste Sprosse auf der Leiter ist die Stelle eines Ressortleiters.

Ich war gern bei dieser Zeitung, ich mochte meine Abteilung, meine Kollegen und auch meine Interviewpartner, es waren interessante, kooperative Menschen, und unsere Redaktion war groß genug, sodass immer etwas los war. Doch das empfand nicht nur ich so – Herausgeber, stellvertretender Herausgeber und Chefredakteur waren insgesamt genommen schon vierzig Jahre bei dem Blatt und würden vor ihrer Pensionierung auch nicht weggehen.

Ich hatte also keinerlei Aussichten auf eine Beförderung. Ich kündigte nicht gern, aber ein paar Dinge sagten mir, dass es nun an der Zeit sei, zu gehen. Erstens reichte mein Gehalt auch nach all den Jahren kaum zu sehr viel mehr, als meinen Studienkredit zurückzuzahlen sowie meine Miete und meine Rechnungen zu begleichen, und zweitens fehlte mir meine Familie immer mehr. Meine Eltern besuchten mich, wann immer sie konnten, sie füllten meinen Kühlschrank, luden mich zum Essen ein und kauften mir Kleider. Das machte mich ihnen noch verbundener, und wenn sie wieder nach Hause aufbrachen, fühlte ich mich noch einsamer. Alle paar Monate fuhr ich über ein Wochenende zu ihnen und zu meiner Schwester, aber das war mir nun nicht mehr genug. Jedes Mal schienen meine Eltern ein bisschen älter geworden zu sein, ihr Haar war mit mehr Silberfäden durchzogen, und immer gab es einen Bericht über einen Arztbesuch und eine neue Behandlung bei Vater oder Mutter. Ich wollte näher bei ihnen sein und sie regelmäßiger sehen, wollte aber nicht wieder zurück ins Nest ziehen, denn meine Rückkehr würde sich bestimmt nach der ersten Zeit rasch abnutzen, wenn sie den ganzen Tag mit mir verbringen müssten.

Als Journalistin mit Karrierewunsch wechselte ich erst einmal in ein größeres Ressort bei einer größeren Zeitung in der Nähe meiner Familie, die Stelle war auch ein bisschen besser bezahlt. Als ich eine Wohnung gefunden hatte, war die Gehaltserhöhung natürlich schon aufgefressen. Meine Mutter kam mehrmals die Woche vorbei, sie versorgte mich mit den Ergebnissen irgendwelcher neuer Kuchenrezepte oder mit »etwas zum Einfrieren« und trug dazu bei, dass mein Geld länger reichte. Ihr Zitronenkuchen machte mir in meiner neuen Redaktion Freunde, denn eine Frau allein kann schließlich nur eine begrenzte Menge Kuchen essen.

Abgesehen von einer Rückkehr in mein Leben mit legendären Backwaren und Sonntagsbraten im Elternhaus, bestand meine veränderte Lebenslage hauptsächlich in der wenigen Zeit, die ich nunmehr mit Thomas verbringen konnte. Es waren ein paar Stunden Fahrt zu ihm, meine Dienstpläne, die Benzinkosten und seine aufblühende Beziehung zu Charlotte verhinderten weitgehend, dass wir uns wie zuvor für ein paar Stunden der Welt gemütlich entzogen, während wir Filme anschauten. An diese Veränderung musste ich mich erst gewöhnen; es machte mir ziemlich viel aus, denn ich war gern mit ihm zusammen, wir hatten Spaß, und was wir gemeinsam getan hatten, waren Meilensteine in meinem Leben.



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