Das Bootshaus an den Klippen by Kate Glanville

Das Bootshaus an den Klippen by Kate Glanville

Autor:Kate Glanville [Glanville, Kate]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-8387-5898-5
veröffentlicht: 2014-12-18T05:00:00+00:00


25. Dezember 1948

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass der erste Weihnachtstag so trübselig sein kann. Ich denke an Weihnachten im Schloss und an die wochenlangen Vorbereitungen, bis es so weit war. Vorher gab es mindestens zwei Einkaufsfahrten nach Dublin, Mutter ließ sich aus London neue Kleider schicken und Delikatessen von Fortnum’s und Champagner von Berry’s. Das Weihnachtsessen war endlos: Suppe und Lachs, Pasteten und Terrinen, dann ein gewaltiger Truthahn und zum Schluss Mrs. Reillys wundervollen Plumpudding.

Es kamen immer viele Gäste. Das Auspacken der Geschenke dauerte Stunden, und dazu gab es noch spezielle Geschenke von Vater, die im Weihnachtsbaum versteckt waren, ein Baum, so hoch, dass er in der Halle fast bis an die Decke reichte. Und dann war da früher auch noch Onkel Charles, mein Lieblingsonkel.

Als ich ein kleines Mädchen war, erschien mir die Ankunft von Onkel Charles immer so, als wäre der Weihnachtsmann persönlich zu Besuch gekommen. Immer wenn ich drauf und dran war, die Hoffnung aufzugeben, dass er doch noch kommen würde, stürmte er plötzlich ins Haus, direkt von der letzten Weihnachtsfähre, immer mit einem brandneuen Auto und einem anderen Mädchen am Arm. Wir liebten seine Kartentricks und die Tatsache, dass er sämtliche neuen Schlager auf dem Klavier spielen konnte. Einmal brachte er ein sehr hübsches Mädchen mit, das mir Stepptanzen beibrachte. Mutter mochte es nicht, und im Nachhinein denke ich, dass es ein Revue-Girl war.

Während des Krieges war es an den Feiertagen natürlich stiller. Wie so viele andere Söhne Irlands blieb auch Onkel Charles zu Weihnachten fern, aber trotzdem schien das Schloss in dieser Zeit zum Leben zu erwachen.

Der Weihnachtstag hier im Haus hätte nicht unterschiedlicher sein können. Wir hatten unser übliches Frühstück, gefolgt vom Kirchgang, danach Sherry bei den Nuttalls und dann Lunch mit Schinkenbroten. Gordon sagte, dass wir abends mit Mrs. Smythe und Della essen würden, eine besondere Weihnachtstradition, wie er mir erklärte, als wäre es ein freudiger Anlass.

Der Truthahn war sehr trocken, und es gab keine Brotsauce. Gordon schenkte uns allen ein Glas Rotwein ein, und ich erinnerte mich an Michaels Hand, die damals bei der Dinnerparty auf meiner gelegen hatte, und dachte an ihn, der jetzt in Galway und weit entfernt war. Ob er den Weihnachtstag genoss? Ich fragte mich, wie seine Eltern waren und seine fünf älteren Brüder und auch die Tante, die, wie er mir erzählt hatte, bei ihnen lebt, weil sie als Kind aufgrund von Masern ihr Augenlicht verlor. Ich stellte mir eine lebhafte Runde in einer großen Küche vor, mit viel Gelächter und Scherzen von all den jungen Männern, die am Tisch sitzen. Ich stellte mir eine rundliche, rotbackige Mutter vor, die Kochlöffel und vorgewärmte Platten schwenkt und gleichzeitig versucht, ihre ausgelassenen Sprösslinge zu bändigen, und einen freundlichen Vater, der seine Pfeife raucht und sich über das Leben und Treiben im Haus freut, und die Tante, die milde zu allem lächelt, und die Düfte, die vom Herd aufsteigen.

Mir wurde bewusst, dass Gordon eine Frage an mich gerichtet hatte. Er wiederholte sie. »Möchtest du morgen gern zum Treffen vor der Fuchsjagd gehen?«

»Fuchsjagd?« Ich starrte ihn verwirrt an.



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