Choral des Todes by Jean-Christophe Grangé

Choral des Todes by Jean-Christophe Grangé

Autor:Jean-Christophe Grangé [Grangé, Jean-Christophe]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3404160398
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2013-03-12T17:00:00+00:00


KAPITEL 44

Fünf Uhr nachmittags – und Volokine war immer noch im Internetcafé.

Die Suche nach dem Anwalt war problemlos verlaufen. Binnen einer halben Stunde hatte Volo ihn ausfindig gemacht.

Er hatte zunächst die Websites aufgerufen, die sich mit der Verteidigung der Menschenrechte befassten, und zwar insbesondere mit den Vermissten aus den lateinamerikanischen Militärdiktaturen. Er hatte eine Liste der französischen Richter und Anwälte aufgestellt, die den Akten zufolge mit den Klagen gegen das chilenische Regime befasst waren. Dann hatte er bei France-Télécom angerufen und mit fester Stimme seine Kennnummer durchgegeben. Anschließend hatte er die einzelnen Vielredner zu Hause oder auf dem Handy angerufen, während sie ihre Weihnachtseinkäufe machten.

Beim achten Anruf hat er schließlich Geneviève Harova erreicht, eine Pariser Anwältin, spezialisiert auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und vor allem für den Internationalen Strafgerichtshof in Sachen Ex-Jugoslawien und Ruanda tätig.

»Ja, Wilhelm Götz hat mich angerufen«, hatte Frau Harova eingeräumt und ihn zugleich wissen lassen, dass sie gerade beim Friseur war.

»Wann?«

»Vor etwa zehn Tagen.«

»Hat er Ihnen gesagt, worum es ging?«

»Um eine freiwillige Zeugenaussage. Gegen Personen, die mit dem Verschwinden, der Freiheitsberaubung und der Folter in Chile zu tun hatten.«

Die Frau hatte einen herablassenden, ungeduldigen Ton. Im Hintergrund konnte Volo die für einen Friseursalon typischen Geräusche hören. Scheren. Föhn. Gemurmel.

»Warum hat er Sie angerufen?«

»Ich befasse mich mit verschiedenen Vorgängen dieser Art, die das Verschwinden französischer Staatsangehöriger in den Jahren 1973 bis 1978 betreffen.«

»Wer sind die Verdächtigen?«

»General Pinochet ist unsere wichtigste Zielscheibe. Oder besser gesagt ›war‹, weil er ja kürzlich gestorben ist. Es gibt noch andere. Die Kommandeure der Infanteriedivision von Santiago. Die Chefs der DINA.«

»Können Sie mir ihre Namen nennen?«

»Es sind etwa dreißig.«

Volokine gab der Anwältin seine E-Mail-Adresse und bat sie, ihm diese Liste vor dem Weihnachtsessen zu übermitteln.

»Was hat er Ihnen sonst noch gesagt?«

»Nicht viel. Wir wollten uns treffen, um unter vier Augen darüber zu reden. Ich war nicht sicher, ob ich seiner Geschichte Glauben schenken konnte. Wie Sie wissen, werden uns viele Zeugenaussagen von Opfern zugetragen. Von Männern und Frauen, die grundlos verhaftet und gefoltert wurden. Aber sehr selten kommt es vor, dass ein Folterer aussagt. Götz schien ein reuiger Henker zu sein. Seine Aussage war darum von allergrößter Wichtigkeit. Oder ein Schwindel.«

»Hat er Ihnen am Telefon nichts über die Gräueltaten erzählt, an denen er beteiligt war?«

»Kein einziges Wort. Er hat nur etwas Merkwürdiges gesagt.«

»Was?«

»›Diese Verbrechen finden immer noch statt.‹ Er sprach so, als hätte er Informationen über Delikte aus jüngster Zeit.«

»Haben Sie ihn getroffen?«

»Nein. Wir hatten uns für gestern verabredet. Er ist nicht erschienen. Das hat meine Vorahnung bestätigt. Ein Mythomane. Ich habe jetzt keine Zeit mehr …« Ein kurzes entschuldigendes und zugleich hochmütiges Lachen. »Mir werden gerade die Haare gefärbt, verstehen Sie?«

Volokine hatte der Versuchung nicht widerstehen können, sie zurechtzuweisen:

»Wilhelm Götz ist ermordet worden. Und ich kann Ihnen versichern, dass er kein Schwindler war.«

»Ermordet? Wann?«

»Vor vier Tagen. In einer Kirche. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«

»Das ist doch verrückt. Ich habe nichts darüber gelesen …«

»Ich werde Sie wieder anrufen, wenn wir stichhaltige Hinweise haben. Und vergessen Sie bitte nicht, mir die E-Mail noch vor heute Abend zu schicken.



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