Caoba-Zyklus by B. Traven

Caoba-Zyklus by B. Traven

Autor:B. Traven [Traven, B.]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik, B. Traven
Herausgeber: Eigenvertrieb
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


9

Am äußersten Rande des Geländes und nahe dort, wo bereits der Dschungel begann, stand eine verwahrlost aussehende Hütte ohne Wände. Das morsche Palmdach zeigte an mehreren Stellen große Löcher, und zerbröckelnde Sparren ließen darauf schließen, dass beim nächsten Sturm mit Sicherheit damit gerechnet werden konnte, dass von dem Dach nichts mehr übrig bleiben werde. Ein morsches Brett, angenagelt an einen der Hauptpfähle, trug eine verwitterte Inschrift, geschrieben offenbar mit einem dicken Zimmermannsbleistift. Einige der Buchstaben waren unleserlich geworden. Aber wer sich auf das Entziffern von mysteriösen Hieroglyphen verstand, vermochte mit einiger Geduld zu entdecken, dass die Inschrift einst gelautet hatte. Escuela, Schule.

Die Monterias waren durch Gesetz verpflichtet, Schulen für die Kinder ihrer Arbeiter und Angestellten und aller übrigen Leute, die hier wohnten, zu bauen und zu unterhalten. Das Gesetz hatte mit dieser Anordnung gemeint, dass die Monterias die Schulen voll auszurüsten und auch für den Lehrer zu sorgen und ihn zu bezahlen hätten. Da dies aber in der Verordnung nicht ausdrücklich Wort für Wort geschrieben stand, sondern in der Konzession nur gesagt worden war, dass eine Schule erbaut und unterhalten werden müsse, so war die Company dieser Verordnung so nachgekommen, wie sie von der Company ausgelegt wurde.

Ein Dutzend Pfähle waren in den Boden gegraben und darüber war ein Palmdach gelegt worden.

Um zu vermeiden, dass sich irgend jemand hinsichtlich der Bedeutung dieser Hütte Irrtümern hingeben konnte, wurde das Brett mit der Aufschrift Escuela Rural, Landschule, angenagelt. Es war seit dem Bestehen dieser Monteria nie ein Kind darin unterrichtet worden. Und die Hütte diente jetzt während der heißesten Stunden des Tages zum Unterstellen der Mules und Esel, um sie ein wenig Schatten genießen zu lassen.

In den Jahresbilanzen der Company, von denen einige Kopien den Behörden eingereicht werden mussten, fand sich auch die Escuela als Vermögen der Company mit aufgezählt, und zwar als ein Vermögensbestand in der Höhe von zweitausendsechshundert Pesos. Der wahre Wert belief sich lediglich auf die verwendete Arbeitszeit einiger Peones und betrug vier Pesos und achtzig Centavos.

Jede Monteria hatte eine solche Schule, weil sie laut gesetzlicher Bestimmung eine haben musste.

Die hier geschilderte war die beste von allen. Die Schulen der übrigen Monterias hatten längst weder Dach noch Dachsparren. Die Schule der Monteria La Tumba bestand nur noch in einem Pfahl, der von entschwundener Pracht Zeugnis ablegen konnte; die anderen Pfähle waren seit Jahren entweder verfault, oder es hatte jemand die noch brauchbaren für bessere Zwecke verwendet. Es war nicht ironisch gemeint sondern zufällig wirklich Tatsache, dass der einzelne Pfahl, der noch stehen geblieben war, das Brett trug, auf dem man noch zwei Buchstaben,.s...1., lesen konnte. Die anderen Buchstaben waren verblichen.

Alle diese Schulen hatten vor der Diktatur nicht bestanden. jetzt aber waren sie unter der Zahl der Landschulen in den Berichten des Unterrichtsministeriums aufgeführt und zeigten der ganzen Welt, welche Anstrengungen El Caudillo, der Führer, gemacht habe, um den Bildungsstand der Nation zu erhöhen. Der Diktator diktierte, dekretierte und verordnete und, siehe da, ein neues Volk wurde geboren und nahm seinen ihm gebührenden Platz unter den zivilisierten Nationen der Erde ein.



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