Buch der Lieder by Heinrich Heine

Buch der Lieder by Heinrich Heine

Autor:Heinrich Heine
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: buecher de
veröffentlicht: 2009-10-08T04:50:23+00:00


Aus der Harzreise

Prolog

Schwarze Röcke, seidne Strümpfe,

Weiße, höfliche Manschetten,

Sanfte Reden, Embrassieren -

Ach, wenn sie nur Herzen hätten!

Herzen in der Brust, und Liebe,

Warme Liebe in dem Herzen -

Ach, mich tötet ihr Gesinge

Von erlognen Liebesschmerzen.

Auf die Berge will ich steigen,

Wo die frommen Hütten stehen,

Wo die Brust sich frei erschließet,

Und die freien Lüfte wehen.

Auf die Berge will ich steigen,

Wo die dunklen Tannen ragen,

Bäche rauschen, Vögel singen,

Und die stolzen Wolken jagen.

Lebet wohl, ihr glatten Säle!

Glatte Herren, glatte Frauen!

Auf die Berge will ich steigen,

Lachend auf euch niederschauen.

Bergidylle - 1

Auf dem Berge steht die Hütte,

Wo der alte Bergmann wohnt;

Dorten rauscht die grüne Tanne,

Und erglänzt der goldne Mond.

In der Hütte steht ein Lehnstuhl,

Ausgeschnitzelt wunderlich,

Der darauf sitzt, der ist glücklich,

Und der Glückliche bin Ich!

Auf dem Schemel sitzt die Kleine,

Stützt den Arm auf meinen Schoß;

Äuglein wie zwei blaue Sterne,

Mündlein wie die Purpurros.

Und die lieben, blauen Sterne

Schaun mich an so himmelgroß,

Und sie legt den Liljenfinger

Schalkhaft auf die Purpurros.

Nein, es sieht uns nicht die Mutter,

Denn sie spinnt mit großem Fleiß,

Und der Vater spielt die Zither,

Und er singt die alte Weis.

Und die Kleine flüstert leise,

Leise, mit gedämpftem Laut;

Manches wichtige Geheimnis

Hat sie mir schon anvertraut.

»Aber seit die Muhme tot ist,

Können wir ja nicht mehr gehn

Nach dem Schützenhof zu Goslar,

Dorten ist es gar zu schön.

Hier dagegen ist es einsam,

Auf der kalten Bergeshöh,

Und des Winters sind wir gänzlich

Wie begraben in dem Schnee.

Und ich bin ein banges Mädchen,

Und ich fürcht mich wie ein Kind

Vor den bösen Bergesgeistern,

Die des Nachts geschäftig sind.«

Plötzlich schweigt die liebe Kleine,

Wie vom eignen Wort erschreckt,

Und sie hat mit beiden Händchen

Ihre Äugelein bedeckt.

Lauter rauscht die Tanne draußen,

Und das Spinnrad schnurrt und brummt,

Und die Zither klingt dazwischen,

Und die alte Weise summt:

»Fürcht dich nicht, du liebes Kindchen,

Vor der bösen Geister Macht;

Tag und Nacht, du liebes Kindchen,

Halten Englein bei dir Wacht!«

Bergidylle - 2

Tannenbaum, mit grünen Fingern,

Pocht ans niedre Fensterlein,

Und der Mond, der stille Lauscher,

Wirft sein goldnes Licht herein.

Vater, Mutter schnarchen leise

In dem nahen Schlafgemach,

Doch wir beide, selig schwatzend,

Halten uns einander wach.

»Daß du gar zu oft gebetet,

Das zu glauben wird mir schwer,

Jenes Zucken deiner Lippen

Kommt wohl nicht vom Beten her.

Jenes böse, kalte Zucken,

Das erschreckt mich jedesmal,

Doch die dunkle Angst beschwichtigt

Deiner Augen frommer Strahl.

Auch bezweifl ich, daß du glaubest,

Was so rechter Glauben heißt -

Glaubst wohl nicht an Gott den Vater,

An den Sohn und heilgen Geist?«

Ach, mein Kindchen, schon als Knabe,

Als ich saß auf Mutters Schoß,

Glaubte ich an Gott den Vater,

Der da waltet gut und groß;

Der die schöne Erd erschaffen,

Und die schönen Menschen drauf,

Der den Sonnen, Monden, Sternen

Vorgezeichnet ihren Lauf.

Als ich größer wurde, Kindchen,

Noch viel mehr begriff ich schon,

Ich begriff, und ward vernünftig,

Und ich glaub auch an den Sohn;

An den lieben Sohn, der liebend

Uns die Liebe offenbart,

Und zum Lohne, wie gebräuchlich,

Von dem Volk gekreuzigt ward.

Jetzo, da ich ausgewachsen,

Viel gelesen, viel gereist,

Schwillt mein Herz, und ganz von Herzen

Glaub ich an den heilgen Geist.

Dieser tat die größten Wunder,

Und viel größre tut er noch;

Er zerbrach die Zwingherrnburgen,

Und zerbrach des Knechtes Joch.

Alte Todeswunden heilt er,

Und erneut das alte Recht:

Alle Menschen, gleichgeboren,

Sind ein adliges Geschlecht.

Er verscheucht die bösen Nebel

Und das dunkle Hirngespinst,

Das uns Lieb und Lust verleidet,

Tag und Nacht uns angegrinst.

Tausend Ritter, wohlgewappnet,

Hat der heilge Geist erwählt,

Seinen Willen zu erfüllen,

Und er hat sie mutbeseelt.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.