Born to be wild? - wie die Generation Ü40 fuehlt, liebt und lebt by Riess Claudia

Born to be wild? - wie die Generation Ü40 fuehlt, liebt und lebt by Riess Claudia

Autor:Riess, Claudia [Riess, Claudia & Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-05-28T16:00:00+00:00


BESSER ESSEN – ALLES BIO, ODER WAS?

Nachdem wir also das Ausgehen abgehakt haben, halten wir den Kontakt zu den wenigen Freunden, die noch in der Nähe wohnen, durch regelmäßige Abendessen aufrecht. Aber ich muss gestehen: Die Lust, Freunde zum Essen einzuladen, nimmt beständig ab. Nein, meine Zeit ist mir nicht zu schade, ich habe diese lauschigen Runden bei einem kleinen Menü oder einfach nur mal Käse und Rotwein immer sehr genossen. Aber seit einiger Zeit macht es keinen Spaß mehr. Bleiben wir beim Käse. Immer mehr Menschen in unserem Bekanntenkreis stellen plötzlich fest, dass sie wohl an einer Laktose-Intoleranz leiden – und das sicher schon von Geburt an, es hat nur keiner gemerkt. Bis zum 537. Latte to go war die Welt in Ordnung, dann plötzlich dieses Grummeln im Magen. Seit sie nur noch Soja Decaf Latte bestellen, fühlen sie sich irgendwie besser, leichter. Soll ja eh gesünder sein, die Sojamilch, hat was von bio, dazu noch vegan, gibt alles zusammen ein gutes Lebensgefühl. Käse geht also gar nicht, das ganze Fett, die armen Kühe. Wenn ich dann den Baguettekorb herumreiche, ernte ich entsetzte Blicke: Hilfe, Kohlenhydrate! Mon Dieu, Weißmehl!

Mit warmem Essen wird das Ganze auch nicht leichter: So, gleich ist das Thunfischfilet fertig, dazu gibt es Ofenkartoffeln. Wieder diese Blicke, einer wagt den Aufschrei: Thunfisch? Das Quecksilber, die Überfischung und überhaupt – Fukushima? Wir nehmen nur Kartoffeln. Wo kommen die denn her? Frühkartoffeln aus Ägypten? Oje, die CO2-Emissionen. Wir bleiben beim Salat – ist doch bio, oder? Aus heimischem Anbau? Bitte ohne Dressing. Hättest du vielleicht ein paar Goji-Beeren zum Darüberstreuen?

In den Altbauwohnungen von uns Middleagern stapeln sich Hochglanz-Kochzeitschriften und die neuesten Kochbücher, aber keiner kennt mehr ein einfaches Pfannkuchenrezept auswendig. Meine Oma hatte einen eigenen Kochstil, meine Mutter auch, ich koche mal nach Jamie, mal nach ›Brigitte‹, mal nach einem neuen Internet-Kochblog.

Bei meiner Mutter war die Speisenabfolge einer Woche klar, darauf konnte sich die gesamte Familie verlassen: Unter der Woche kamen die Lieblingsgerichte der Kinder wie Ravioli aus der Dose, Fischstäbchen, Fleischbällchen und so weiter auf den Tisch. Am Freitag gab es immer Fisch, am Samstag Suppe oder Milchreis und am Sonntag »was Gescheites« – die von uns gehassten Rouladen, Hackbraten (falscher Hase), Krautwickel oder ein Braten aus der Röhre. Dazu Salzkartoffeln und Erbsen-Mohrrüben-Gemüse und ein Schokoladenpudding. Fertig. Aus. Bei mir ist die Essenswoche an meinen Zeitplan gekoppelt: Da kann es schon mal passieren, dass unter der Woche eine Scholle an Balsamico-Linsen auf den Tisch kommt, weil ich am Nachmittag plötzlich ein »Zeitfenster« zum Kochen habe. Und ich dafür zur Freude meiner Kinder am Freitag eine Fertigpizza in den Ofen schiebe, weil ich bis zum Abend am Schreibtisch sitzen muss. Neulich sagte mein Sohn zu mir: »Mama, deine Fleischbällchen sind die besten – besser als bei Ikea!« Das war rührend, aber ich hatte ein komisches Gefühl, kamen »meine Fleischbällchen« doch aus dem Tiefkühlregal des schwedischen Einrichtungshauses. Ich habe kein »eigenes Rezept«, das nur ich koche, so wie der russische Eiersalat meiner Oma oder der Fleischkuchen meiner Mutter. Ich



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