Boeses Spiel by Brigitte Blobel

Boeses Spiel by Brigitte Blobel

Autor:Brigitte Blobel [Blobel, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783641031091
Herausgeber: cbj
veröffentlicht: 2013-06-02T16:00:00+00:00


An dem Tag bin ich ohne Mittagessen nach Hause gefahren. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, zusammen mit diesen Typen aus meiner Klasse in einem Speisesaal zu sitzen, besonders weil Ravi nicht da war.

In meinem Zimmer bin ich wie tot auf das Bett gefallen. Ich wollte an irgendetwas Schönes denken, an irgendetwas, das mich aufrichten würde. Aber mein Kopf war leer.

Draußen zogen dunkle Wolken auf. Eine feuchte Stelle an der Zimmerdecke war doppelt so groß wie am Vortag. Offenbar war bei den Nowatzkis eine Leitung defekt. Die Vorstellung, dass das Wasser von oben langsam in unsere Wände sickerte, war auf einmal wie eine allgegenwärtige, anwachsende Bedrohung.

Irgendwann fand ich die Kraft, mich an meinen Schreibtisch zu schleppen und mit den Schularbeiten zu beginnen. Am nächsten Tag würden wir eine Mathearbeit schreiben. Uwe Johnson hatte mich noch gefragt, ob ich dafür Hilfe von ihm brauchte, weil es um einen Themenkreis vom vergangenen Schuljahr ging, der - komplizierter - wieder aufgenommen wurde. Aber ich war ehrgeizig, und ich hatte ihm erwidert, dass ich alleine versuchen würde, mich da durchzukämpfen.

Das hatte ihm gefallen. So sehr, dass er mich in den Arm nahm und meinte: »Wenn alle so wären wie du, Svetlana, könnte ich mich aufs Neue in meinen Beruf verlieben.« Das war ein großes Kompliment aus seinem Mund, ich war entsprechend stolz. Und gleichzeitig froh, dass niemand von meinen Mitschülern es gehört hatte.

Wenn ich am Schreibtisch saß, legte ich mein Handy auf die Fensterbank. Eine alte Gewohnheit. Dabei rief nur selten jemand an. Mal eine Cousine von mir, die mit ihren Eltern im Süden, in Baden-Württemberg, wohnte (die Familie war fast zur gleichen Zeit wie wir nach Deutschland gekommen), oder jemand aus meiner alten Schule, der von mir einen Tipp für irgendwelche Hausarbeiten haben wollte. Meistens aber war es meine Mutter, die mir ausrichtete, dass sie später nach Hause kommen würde, dass sie vergessen hatte, die Waschmaschine anzustellen oder dass ein Stapel Bügelwäsche auf mich wartete.

SMS bekam ich fast nie. Deshalb war mir der Klingelton, mit dem ein SMS-Eingang angekündigt wird, ganz fremd. Ich weiß, dass ich zusammengezuckt bin und auf mein Handy gestarrt hab, als wäre es nicht meins.

Die SMS lautete:

»SCHAU MAL UNTERM SOFA NACH!«

Ohne Absender. Nummer unterdrückt.

Ich löschte die SMS sofort und versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Aber auf die Schularbeiten konnte ich mich auch nicht mehr konzentrieren.

Wenig später wieder der Klingelton, eine neue SMS. »BEI ACHSELSCHWEISS: ALLES ÜBER SEIFE UND DEOS BEI: WWW.ICHSTINKE.COM

Ich stellte das Handy aus. Mein Herz raste. Ich ging ins Bad und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich schaute in den Spiegel. Ich sah ein Mädchen mit dichten hellen Haaren und ganz kleinen müden Augen. Wie unter Zwang hob ich meinen Arm, prüfte, ob ich unter den Achseln nach Schweiß roch. Natürlich nicht. -

Als ich aus dem Bad wieder in mein Zimmer kam, war es wie in Sonne gebadet. Die dunklen Wolken hatten sich verzogen und auf einmal leuchtete ein Frühlingstag. Ich hielt es in der Wohnung sowieso nicht mehr aus. So bin ich einfach auf die Straße gelaufen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.