Blaue Wunder by Kürthy Ildikó von
Autor:Kürthy, Ildikó von [Kürthy, Ildikó von]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-05T05:00:00+00:00
«Bist du sicher,
dass wir das hier
wirklich tun sollen?»
«Und?»
Erdal schaute mich wissbegierig an. Karsten reichte mir schweigend einen Becher Milchkaffee, aber selbst er konnte seine Neugier nicht ganz verbergen.
«Was und?»
Ich hatte zweieinhalb Stunden geschlafen, sah aus wie eine Pizza von vorgestern und musste in zwanzig Minuten bei der Arbeit sein. Mir war wirklich nicht nach langen Erzählungen zumute.
Außerdem hatte ich Tina versprochen, nichts über sie und Carolin zu verraten.
Erdal wurde ungeduldig.
«Hat es funktioniert? Hast du dich abschleppen lassen? Du siehst jedenfalls nicht so aus, als seist du um zwölf im Bett gewesen. Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.»
«Nichts war, es gibt nichts zu erzählen. Ich war mit Tina bis fünf im <China Club>, wir haben getanzt und getrunken und sind kein einziges Mal angesprochen worden.»
Erdal guckte so enttäuscht, dass er mir schon fast Leid tat.
«Und wie war’s bei euch? Die Teelichte rund um die Badewanne sehen ja nach einem sehr romantischen Abend aus», versuchte ich ihn abzulenken. Erdal ist ja eigentlich immer am zufriedensten, wenn er über sich selbst sprechen kann.
«Pffff, von wegen romantisch. Karsten war schlecht gelaunt und hat sofort Streit angefangen.»
Ich war überrascht. Karsten kam mir eigentlich extrem ausgeglichen und wenig reizbar vor.
«Quatsch, Erdal, du hattest ständig Angst, dich zu verkühlen, und hast alle drei Minuten heißes Wasser nachlaufen lassen. Und dann hast du überlegt, dir einen Schal umzubinden. In der Badewanne! Wie soll man sich denn bei so einem Getue entspannen?»
«Was bitte meinst du denn mit Getue, Karsten? Glaubst du etwa, ich bin stolz darauf, eine so labile Konstitution zu haben? Glaubst du, ich bin stolz, dass ich zu Bronchitis neige?»
Erdals Stimme zitterte bei den letzten Sätzen. Hui, da zog aber ein ganz schönes Gewitter auf. Wenn Erdal eines nicht leiden kann, dann, dass man seine eingebildeten Krankheiten für eingebildete Krankheiten hält. Er redete sich jetzt richtig in Rage.
«Glaubst du, ich bin stolz darauf, dass ich leicht Halsschmerzen bekomme und meine Mandeln dann so doll anschwellen, dass ich fast gar nicht mehr schlucken kann?»
«Ja, genau das glaube ich!»
«Tschüs, Jungs, ich muss zur Arbeit», verabschiedete ich mich.
Als Tina und ich die Treppe zu Astrid Crülls Wohnung hochstiegen, erlaubte ich mir kurz den Zweifel, ob ich gerade drauf und dran war, den größten und gleichzeitig peinlichsten Fehler meines Lebens zu machen. Den Tag über war ich zum Glück nicht viel zum Nachdenken gekommen. Meine Vorgesetzte hatte beschlossen, mich zu quälen, und mir einen Haufen Kundenbeschwerden hingelegt. Meine Grundstimmung war schon negativ genug, und es machte mich nur noch schlechter gelaunt, Briefe zu lesen von Leuten, die null Rechtschreibkenntnisse hatten, sich aber beschwerten, dass die Speisekarte ihrer Pension in der Provence nicht ins Deutsche übersetzt war. Dazu kam, dass Erdal mehrmals anrief, um sich über Karsten zu beklagen.
«Gut, dass du dabei warst, Elli, das war doch echt der Hammer, oder? Ich muss mich doch von dem Typen nicht verspotten lassen, bloß weil ich sensibler reagiere als andere. Karsten ist gleich nach dir gegangen, grußlos. Elli, das muss man sich mal vorstellen: grußlos! Ich habe ihm natürlich gesagt, dass er, wenn er jetzt geht, sich nie wieder bei mir blicken lassen braucht.
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