Black Jesus by Felice Simone

Black Jesus by Felice Simone

Autor:Felice, Simone [Felice, Simone]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-17T00:00:00+00:00


Gay Paris, New York

GAY PARIS, NEW YORK

Joes Hose liegt auf dem Boden in Debbies Schlafzimmer, das sich im hinteren Teil des Dairy Queen befindet. Vor sechs Monaten war es noch ein Kühlraum mit einer schweren Metalltür, die zur Küche führte, aber inzwischen hat der Raum, vielleicht zwölf Quadratmeter groß, seine neue Bestimmung als Liebesnest gefunden – liebevoll eingerichtet mit Kerzen, irgendwie östlich wirkenden Wandteppichen, einem doppelten Futonbett und Babyöl auf dem Nachttisch. Draußen dämmert es gerade, ein Greyhound-Bus rauscht vor dem Haus vorbei, Debbie schnarcht leise auf ihrer Seite, als das Handy in seiner Hose ein gedämpftes We will rock you singt.

»Joe hier.«

»Joe Boy?«

»Wer ist dran?«

»Wer sonst nennt dich Joe Boy?«

»Warum rufst du so früh an, Ma?«

»Ich möchte noch einmal ins Autokino, bevor ich sterbe.«

»Du wirst nicht sterben, Ma.«

»Und ob ich das tun werde. Ich hasse es, der Spielverderber zu sein, aber irgendwann kommt der Tag, da bist auch du dran. Und dieser seltsame Vogel, mit dem du ein Nest gebaut hast, ist es auch. Für jede wundervolle Kreatur in diesem Universum kommt einmal der Tag. Und mein Tag ist hinter der nächsten Kurve, ob du es nun magst oder nicht. Es gibt keinen Grund, deshalb Trübsal zu blasen. Und deshalb singe ich I’m singin’ in the rain.«

»Aber gibt’s nicht irgendwas, das wir tun können?«

»Singin’ in the rain. Ich werde keiner dieser Trottel sein, die mit Klauen und Zähnen für etwas kämpfen, das sich dann als Schall und Rauch entpuppt. Ich kann nur hoffen, dass ich wie eine Fliege umfalle, wenn der Mann mit der Klatsche kommt.«

»Der wer?«

»Der Typ mit der Sense. Der Tod. Der Fährmann – wie immer man ihn nennen mag. Das Einzige, was ich mir wünsche, ist ein Besuch im Autokino, aber dieser verdammte Heimleiter Steve will mir keine Ausgeh-Genehmigung erteilen.«

»Und warum in aller Welt nicht?«

Neben ihm räkelt sich Debbie unter der Decke. »Mit wem sprichst du, Baby?«

Joe legt seine Hand auf den Hörer und flüstert: »Meine Ma. Ich glaub, sie tickt nicht mehr richtig.«

»Das hab ich genau gehört.«

»Scheiße. Sorry, Ma. Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich.«

»Dann beweg deinen Arsch und sprich mit diesem Nazi von Heimleiter.«

»Okay, ich mach mich auf den Weg. Zieh mir nur schnell die Hose an«, sagt er und klappt sein Handy zu.

»Untersteh dich, dich jetzt schon anzuziehen«, raunzt Debbie. »Hast du verstanden, Tonto?«

Oben im Taubenschlag schwitzt der junge Marine unter seiner Decke. Er zieht seine Knie zur Brust hoch, die verstümmelten Augenlider zucken, während in seinem immer noch leicht benommenen Kopf die Bilder des Grauens ablaufen, die CNN nie zeigte. Babar hat sich unter seine Achselhöhle verkrochen – dorthin, wo Elefanten nicht vergessen können.

Er hört, wie fünf Kilometer weiter Granaten einschlagen, hört den dumpfen Rhythmus des Trommelfeuers, das eine vertraute Konstante in diesem fremden Land geworden ist. Es gibt keinen Grund, dass er sich hier aufhält – nicht in diesem Land, aber schon gar nicht in dieser Hauslücke. Er hat sich aus dem Staub gemacht und sitzt mit dem Rücken zur Wand, das Gewehr auf dem Schoß, den Kopf zurückgelehnt.



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