Betriebswirtschaftsleere by Axel Gloger

Betriebswirtschaftsleere by Axel Gloger

Autor:Axel Gloger [Gloger, Axel]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Buch
veröffentlicht: 2016-12-15T23:00:00+00:00


9. Ethik und CSR als Reparaturbetrieb

Wenn Sie morgen in einem größeren Unternehmen eine Stelle neu anträten, würde man Ihnen noch am ersten Arbeitstag eine Wertebroschüre in die Hand drücken, „Unser Selbstverständnis“, „Code of Conduct“ oder „Unsere Grundwerte“, solche Titel tragen diese teuer gemachten Hefte meist.

„Bleib lauter und ehrlich. Halte die Regeln ein. Diene den Kunden“, das ist der Typ Botschaft, den Sie lesen würden, wenn Sie so ein Heft aufschlagen.

Eine Woche nach dem ersten Arbeitstag würde sogar noch jemand bei Ihnen auftauchen und sich als Kollege von der Compliance-Abteilung vorstellen. „Nur eine Formsache“, sagt er zum Gruß und reicht Ihnen ein vorbereitetes Formular, auf dem Sie Ihren Namen und Ihre Personalnummer erkennen. „Unterschreiben Sie bitte hier, dass Sie den Code of Conduct gelesen und verstanden haben.“

Regeln und Werte, stellen wir fest, sind heute Teil des Alltags im Unternehmen und auch Teil des Grundrauschens in der Unternehmenskommunikation. Firmenchefs bemühen in ihren Sonntagsreden das Bild des ehrbaren Kaufmanns, in jedem Dax-Konzern gehört es heute zum guten Ton, dass man sich auf selbst geschaffene Grundwerte verpflichtet.

Dafür scheint manchmal nichts zu teuer zu sein. Da werden alle Mitarbeiter in die Zentrale eingeflogen, es gibt firmenweite Rituale mit Werteschwur. Ich habe in einigen Unternehmen diese großen Bilderrahmen gesehen, in der Mitte ein Bekenntnis in dicken Lettern, manchmal noch ein Foto der Mitarbeiter daneben, drumherum mit bunten Filzstiften die Unterschriften von allen. Ja, wir bekennen uns. Das Grundgesetz der Firma in neuzeitlichem Format. „Wir zeigen, dass wir zu den Guten gehören wollen.“

Als ich vor ein paar Jahren Walter Scheurle besuchte, Personalvorstand der Deutschen Post, sah ich in seinem Büro im 36. Stock diese Blechtafel. Einen halben mal einem Meter im Format, unübersehbar gleich neben der Tür, selbstverständlich in Postgelb: Da hing der Wertekatalog, das Mitarbeiter-Grundgesetz der Post AG. Wir haben nicht darüber gesprochen, aber die Tafel strahlte, sie war die ganze Zeit da wie eine weitere Person, die mit am Besprechungstisch saß.

So etwas ist heute üblich, guter Standard in vielen Unternehmen, sie bekennen sich zu selbst gesetzten Standards, zu Themen wie Anstand, Fairness und Respekt.

Auch bei Volkswagen war das so, Ziel: ehrbar sein, ehrbar bleiben. „Verantwortung kennt keine Grenzen“, ruft der Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns dem Publikum zu. Der langjährige Konzernchef Martin Winterkorn ergänzte das noch um eine persönliche Ansage, damit auch jedermann klar ist, worum es geht: „Mit dem Wachstum des Konzerns wächst auch seine Verantwortung (…) vor allem auch für eine intakte Umwelt.“102

Aber Dieselgate zeigte, was die Ansagen zu den Nachhaltigkeitszielen wert waren: nicht mehr als ein falscher Fuffziger. Keiner gab etwas darauf.

Umweltvorschriften wurden von den Wolfsburgern nicht nur fahrlässig ignoriert, sondern mit Vorsatz umgangen. Das führt uns vor Augen, was solche Aussagen in diesem Falle wert waren. Sie wurden ohne Obligo gegeben, sie sind Marketing-Sprech ohne Folgen.

Auch bei Volkswagen gab es einen Code of Conduct, eine Firmenethik. Jeder wusste von ihr, jeder konnte sie in Internet und Intranet aufrufen. Ich wollte es genau wissen und habe nachgelesen, worauf die Mitarbeiter des Autokonzerns verpflichtet wurden.

Der Verhaltenskodex spricht eine Sprache, die keinen Zweifel offen lässt: Volkswagen ist ein guter Unternehmensbürger und achtet die Werte der Gesellschaft.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.