Beratung, Organisation und Vertragsgestaltung nach dem Honorar-Anlageberatungsgesetz by Lea Spiegelberg

Beratung, Organisation und Vertragsgestaltung nach dem Honorar-Anlageberatungsgesetz by Lea Spiegelberg

Autor:Lea Spiegelberg
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg


bb) Gleichlauf des öffentlichen Rechts und des Privatrechts durch Doppelnormen

Nachdem zuvor die grundsätzliche Zulässigkeit von Doppelnormen im deutschen Rechtssystem festgestellt wurde, ist nun die Prüfung der Wohlverhaltenspflichten in Bezug auf die Honorar-Anlageberatung vorzunehmen.

Bei der Beurteilung der Einordnung der Wohlverhaltenspflichten als Doppelnormen, ist neben den europarechtlichen Vorgaben, die für eine zivilrechtliche Wirkung der Wohlverhaltenspflichten sprechen, auch die Fortentwicklung des WpHG von großer Bedeutung. Die aufsichtsrechtlichen Vorschriften des WpHG waren in ihrem Anbeginn tatsächlich eher zum Schutz des Marktes und der Anlegergesamtheit vorgesehen.193 Im Laufe der Zeit und unter Entwicklung der Vorgaben des europäischen Rechts dienten die Wohlverhaltenspflichten mehr und mehr auch dem Individualschutz des einzelnen Anlegers.194 Dieses lässt sich unter anderem daraus ableiten, dass die Vorgaben und Formulierungen des § 31 WpHG immer konkreter wurden und verstärkt das Verhältnis zwischen Anleger und Wertpapierdienstleistungsunternehmen betrafen, welches nunmehr im Rahmen der Umsetzung des Honorar-Anlageberatungsgesetzes seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Den nationalen Gesetzgebungsmaterialien ist kein Hinweis auf die Rechtsnatur der Wohlverhaltenspflichten zu entnehmen, da diese durch den historischen Gesetzgeber nicht als Problem gesehen wurde. Der historische Gesetzgeber hat sich bei Einführung des WpHG nicht näher mit der Frage der rechtlichen Einordnung der Normen auseinandergesetzt, denn die Gesetzesmaterialen enthalten keinerlei Hinweise auf die Rechtsnatur der Vorschriften. Daraus kann allerdings nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass eine privatrechtliche Natur ausgeschlossen sein soll.

Für eine Qualifikation der Absätze 4b – 4d des § 31 WpHG als Vorschriften mit sowohl aufsichts- und als auch zivilrechtlicher Natur, spricht der Wortlaut der Norm, insbesondere die detaillierte Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Anleger und dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen.195 Die Vorschriften zielen von ihrer Formulierung her gerade auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kunden ab.196 Dies gilt neben den schon zuvor detailliert gestalteten Absätzen des § 31 WpHG auch insbesondere für die neuen Absätze zur Honorar-Anlageberatung. Die dort enthaltenen Begriffe und Vorgaben entsprechen eher solchen des Vertragsrechts, als das es sich um typische aufsichtsrechtliche Begrifflichkeiten handelt. Es werden in der Norm sehr konkret die jeweiligen „Leistungspflichten“ der Parteien bestimmt.

Für einen Gleichlauf des Aufsichts- und des Zivilrechts durch Doppelnormen spricht weiter, dass die Wohlverhaltenspflichten auch dem identischen Zweck des zivilrechtlichen Vertrages, nämlich unter anderem dem Schutz des Kunden vor Interessenkonflikten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, dienen.197 Denn der § 31 WpHG bezweckt auch den Schutz des individuellen Anlegers vor Interessenkonflikten. Diese Konkretisierung durch den § 31 WpHG spricht dafür, dass die Wohlverhaltenspflichten eben ggfs. nicht nur Schutz- und Nebenpflichten, sondern gerade auch die Hauptpflichten des zivilrechtlichen Vertrages, u. a. die Interessenwahrungspflicht, konkretisieren. In dem Fall, dass die aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten geeignet für die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden sind, greift daher die widerlegliche Vermutung, dass diese auch den Inhalt und den Umfang der Vertragspflichten bestimmen.198

Außerdem ist dieser Gleichlauf des Aufsichts- und Zivilrechts aus Gründen der Rechtssicherheit einerseits geboten und andererseits auch aus Praktikabilitätsgründen erforderlich. Es liegt kein sachlicher Grund vor, warum die detailreichen, vertragsähnlich ausgestalteten Wohlverhaltenspflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens nicht auch zivilrechtlich zu beachten sein sollten. Eine Kongruenz der Pflichtenkataloge ist für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch von großem praktischem Nutzen, denn wenn die vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden, liegt auch kein Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben vor.



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