Aus tiefster Seele: Psychothriller (German Edition) by Hayes Samantha

Aus tiefster Seele: Psychothriller (German Edition) by Hayes Samantha

Autor:Hayes, Samantha [Hayes, Samantha]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-05-18T22:00:00+00:00


23

»Einer Mutter ihr Baby oder Kind zu entziehen, ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt«, erzähle ich Zoe, als sie dasitzt und mich fröstelnd beobachtet. Während ich ihr von meiner Arbeit berichte, nimmt ihr Gesicht einen immer entsetzteren Ausdruck an. Im Haus ist es eiskalt, denn um den ohnehin miesen Tag noch zu krönen, hat der Heizkessel den Geist aufgegeben. Deshalb haben wir uns Stühle dicht an den Küchenherd gestellt und einen zweiten Pullover übergezogen. Zoe hat zuvor auch den Jungen zusätzliche Pullis übergestülpt, den Kamin im Wohnzimmer angeheizt und die Zwillinge in eine Wolldecke gewickelt vor ihre Lieblingszeichentrickserie gesetzt.

Wir halten Teebecher in den Händen. Nach unserer Rückkehr habe ich mir eine Packung Tiefkühlerbsen an die Stirn gehalten, die inzwischen aufgetaut ist. Zoe greift herüber und nimmt mir die tropfende Tüte ab.

»Ja, aber wie kann man das überhaupt machen? Legal jemand anderem das Kind wegnehmen?« Sie betont »legal«, als gäbe es noch einen anderen Weg.

»Das ist nicht einfach. Unserem Team werden gefährdete Kinder von allen möglichen Stellen gemeldet – der Polizei, Hausärzten, Kliniken, Gemeindeschwestern, Hebammen, Lehrern, Freunden, Verwandten, Nachbarn und so weiter.«

Zoe wirkt sehr interessiert, nippt nachdenklich an ihrem Becher und behält alles um sich herum im Blick.

»Als Erstes prüfen wir die Familie. Sprechen mit den Eltern oder der alleinerziehenden Mutter, ziehen Erkundigungen über sie ein, reden mit allen möglichen Leuten und führen regelmäßige Besuche durch, besonders unangemeldete. Wir müssen entscheiden, ob das Kind oder die Kinder oder die Babys, auch die ungeborenen, in diesem Umfeld sicher sind. Falls nicht, beantragen wir bei Gericht, dass man sie den Eltern wegnehmen darf. Normalerweise kommen sie zunächst in eine Übergangspflegefamilie, bis eine dauerhafte Unterbringung gefunden ist.«

»Also nimmt man einer Mutter das Baby weg«, stellt Zoe matt fest.

Ich versuche, unsere Vorgehensweise nicht allzu brutal erscheinen zu lassen. »Man darf nicht vergessen, dass es in erster Linie stets um das Wohl des Kindes geht. Ein Haushalt, in dem Gewalt, Missbrauch und Verwahrlosung herrschen, kann kein schönes, liebevolles Zuhause sein.«

»Und was ist mit den Müttern? Was passiert mit ihnen?« Zoe wirkt traurig und verzweifelt, als könnte man ihr selbst eines Tages ein Kind entziehen.

»Na ja«, sage ich vorsichtig, »bei einigen von ihnen besteht von Anfang an keine Hoffnung. Selbst mit Unterstützung der Sozialdienste strengen sie sich nicht an, ihr Leben zu ändern. Manchmal sind sie sogar froh, dass ihre Kinder abgeholt werden.«

»Damit sie mehr Geld für Drogen und Alkohol haben?«

Ich nicke. »Einige hingegen krempeln ihr Leben um und bekommen ihre Kinder zurück.« Ich reibe mir sanft den Bauch. Der Gedanke, dass mir jemand mein kleines Mädchen fortnehmen könnte, wenn es endlich da ist nach all den Jahren des Sehnens, der Enttäuschung, des Versuchens und Verlierens, scheint mir undenkbar. Unwillkürlich beginne ich zu frösteln, und diesmal ist es nicht die Kälte.

»Tritt sie?«

»Fühl mal«, sage ich lächelnd und führe ihre Hand zu der Stelle. Zoe runzelt die Stirn ein bisschen und bewegt ihre Hand weiter zur Seite. Ich merke das Zittern. »Nein, sie ist wohl wieder eingeschlafen«, sage ich, als Zoes Gesicht mir verrät, dass sie nichts spürt.



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