Alles, was bleibt by Annette Hohberg

Alles, was bleibt by Annette Hohberg

Autor:Annette Hohberg [Hohberg, Annette]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-04T05:00:00+00:00


20

Er war bereits da, als sie das Lokal betrat. Er sah sie sofort und winkte ihr zu. Dann stand er auf und gab ihr die Hand, als sie an den Tisch kam. Er trug Jeans, ein weißes Hemd und einen dunkelblauen Pullover um die Schultern, was ihn noch etwas jünger aussehen ließ.

»Ich habe uns eine Flasche Weißwein bestellt«, sagte er und zeigte auf den Kühler.

Sie legte die Stirn in Falten. »Kein Bier?«

»Sie haben nicht gerade begeistert gewirkt. Dabei habe ich immer gedacht, alle Deutschen mögen Bier.«

Sie setzte sich. »Und ich dachte immer, Staatsanwälte seien alte gesetzte Herren mit Halbglatze. Es leben die Vorurteile.«

Er schenkte erst ihr und dann sich ein. »Danke, dass Sie gekommen sind.«

Sie nahm ihr Glas. »So schlimm?«

»Wenn ich sage, dass ich einen furchtbaren Tag hinter mir habe, ist das noch stark untertrieben.«

»Und warum haben Sie dann ausgerechnet mich angerufen?«

»Sie waren nett zu mir.«

»Nett?«

»Ja. Sie haben nach meinem Sohn gefragt und mir noch einen schönen Abend gewünscht. Das ist nett. Ich dagegen habe Sie nur angeblafft.«

»Sie hatten Ihre Gründe. Immerhin habe ich eine ziemlich große Delle in Ihr schönes neues Auto gefahren.«

»Ach, ich wollte diesen Wagen sowieso nicht haben. Viel zu protzig.«

»Und wer wollte ihn?«

»Sie fragen direkt. Das gefällt mir.« Er nahm einen Schluck Wein. »Wissen Sie eigentlich, dass Sie einen sehr sympathischen Akzent haben? Sie erinnern mich an …«

»Sie lenken ab.«

»Aha, die Psychologin …«

Sie sah ihn fragend an.

»Steht auf Ihrer Karte.« Er stellte sein Glas ab. »Also gut, meine Frau war auf das Auto scharf.«

»Sie leben in Paris?«

»Ja.«

»Wo dort?«

»Im fünften Arrondissement.«

»Gute Lage.«

»Ja, ja …«

»Was tun Sie hier in der Normandie?«

»Das wollen Sie nicht wirklich wissen …«

»Doch.«

»Schmutzige Sachen. Lesen Sie Zeitung?«

»Ich muss gestehen, zurzeit nicht.«

»Sonst hätten Sie nämlich mitbekommen, dass in Houlgate eine steinreiche Marokkanerin in ihrer Villa umgebracht worden ist. Das Ganze macht derzeit Schlagzeilen. Man vermutet eine fremdenfeindliche Geschichte, aber da gibt es auch noch die Familie, die ein Interesse an ihrem Ableben gehabt hätte.«

»Und Sie klären die Sache auf?«

»Ich bemühe mich.«

»Ist sicher spannend.«

»Sie lesen zu viele Krimis.«

»Stimmt. Ich mag Kriminalromane.« Einen Moment war alles wieder da, Maigret, Paris, Rotwein, Leo …

»Es ist nervig«, unterbrach er ihre Gedanken. »Lauter Provinzpolizisten, die mich nicht leiden können und meine Arbeit behindern. Schnösel aus Paris, der sich in ihre Angelegenheiten mischt, denken sie. Mein Gott, manchmal habe ich meinen Job so satt.«

»Warum machen Sie ihn denn dann?«

»Ich bin da reingewachsen. Klassische Vater-Sohn-Geschichte. Meine Rebellionsphase war kurz und heftig, und danach habe ich Papas Träume brav durchdekliniert. Und der Alte hat die Strippen gezogen, indem er seine Beziehungen hat spielen lassen.«

»Klingt wenig enthusiastisch.«

»Ist wenig enthusiastisch! Sagen Sie, wird das hier ein Verhör?«

»Das ist doch wohl Ihre Spezialität, oder? Sind Sie eigentlich gut darin?«

Er grinste. »Nicht schlecht, heißt es.«

Sie nippte an ihrem Wein. Er war nicht besonders. »Ich habe Sie vorhin unterbrochen. Woran erinnere ich Sie?«

»Es ist Ihr Akzent. Sie klingen ein wenig wie Romy Schneider in den französischen Filmen, die sie selbst synchronisiert hat. Ich mag das.«

Sie merkte, dass sie rot wurde.

Er merkte es auch und lachte. Er hatte schöne Zähne, sehr gerade und sehr weiß.



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