Alice, wie Daniel sie sah by Butler Sarah

Alice, wie Daniel sie sah by Butler Sarah

Autor:Butler, Sarah [Butler, Sarah]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-42312-7
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-11-13T05:00:00+00:00


Heute sammle ich weiter, auch wenn es regnet. Was ich finde, trockne ich mit dem Hemd und halte die Tasche oben fest geschlossen, damit nichts nass wird. Ich sehe dich vor mir, wie du durchs Haus gehst, mit einem Buch auf dem gestreiften Sofa sitzt, die Füße unter dich gezogen und eine Tasse Tee vor dir auf dem Boden. Du lauschst dem Regen, der gegen das Fenster klopft. Ich hoffe, du hast es warm und trocken. Es ist kein Tag, um vor die Tür zu gehen.

In meiner ersten Nacht unter freiem Himmel in London regnete es. Ich war bei einem Freund in Camberwell untergekommen, in dessen Zweizimmerwohnung, die er sich mit seiner Freundin teilte. Ich schlief auf dem Sofa. Ich war aus Leeds zurück und noch voller Wut und Trauer. Die Freundin, ich kann mich nicht mehr an ihren Namen erinnern, nur noch, dass er einen zarten Lilaton hatte, diese Freundin war während der ersten Woche noch voller Mitgefühl: Sie kochte mir Tee und hörte sich meine Ergüsse an, aber bald schon spürte ich, wie sie der Frust ganz pricklig machte. Eines Abends dann ging ich in den Pub, um ihnen etwas Raum zu geben, und trank zu viel. Ich weiß noch, wie ich aus der Kneipe fiel, völlig benebelt, und der kalte Regen schlug mir ins Gesicht. Auf halbem Weg zu ihrer Wohnung kotzte ich mir Mantel und Schuhe voll und wusste, so konnte ich nicht zurück. Ich kroch unter einen Busch im Myatt’s Fields Park, oder wenigstens bin ich da aufgewacht. Alles tat mir weh. Ich fror bis auf die Knochen und war völlig durchweicht. Steine und Äste drückten mir in den Körper. Ich weiß noch, wie ich mir sagte, ich habe Glück, noch am Leben zu sein, aber gleichzeitig dachte ich, vielleicht wäre es besser, wenn nicht.

Ich wartete, bis die beiden bei der Arbeit waren, schlich mich zurück in die Wohnung, ließ mir ein Bad ein, das fast zu heiß war, um hineinsteigen zu können, wusch meine Sachen und steckte sie gleich in den Trockner. Selbst meine Schuhe brachte ich auf Hochglanz. Dann setzte ich mich aufs Sofa und trank eine ganze Kanne Tee. Ich schrieb ihnen eine Dankesnachricht, packte meine Tasche und ging.

Das ist die Sache mit Tabus. Wenn du erst mal eines gebrochen hast, stellt es kein großes Hindernis mehr dar.

Ich habe Gras lieber als Bänke, Ecken lieber als offene Räume und schlafe gern mit dem Rauschen von Blättern im Hintergrund, nicht mit Autolärm. An manchen Stellen schlafe ich öfter, unten beim Kanal zum Beispiel, wo er in der Nähe von Angel unter der Erde verschwindet, oder unter der Vorhalle der St Peter’s Church, nicht weit von der Walworth Road. Eine Weile lang habe ich auf der Rasenfläche des Clapham Common übernachtet, direkt südlich vom Pavillon. Was mir da am besten gefiel, waren die Sterne. Sonst kannst du sie in der Stadt kaum sehen. Mir hat nie jemand die Sternbilder erklärt, und ich kenne ihre Namen heute noch nicht, aber ich kann sie auseinanderhalten. Ich war lange genug dort, um zu sehen, wie sich die Erde dreht.



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