8 Tage im Juni by Brigitte Glaser

8 Tage im Juni by Brigitte Glaser

Autor:Brigitte Glaser [Glaser, Brigitte]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783838745978
Herausgeber: Boje
veröffentlicht: 2013-07-18T22:00:00+00:00


Donnerstag, 14. Juni

Keine Züge. Nicht der Fünf-Uhr-Zug, nicht der um 6 Uhr 23. Stattdessen Vogelgezwitscher von draußen, Sonnenstreifen auf dem Fußboden und das hastige Hecheln von Rintintin im Ohr. Das schlug er immer an, wenn er rausmusste. Jenny tauchte aus einem traumlosen Schlaf auf und wusste im ersten Augenblick gar nicht, wo sie war. Als ihre Hand über das Laken strich, fiel es ihr ein. Das frisch bezogene Bett, die Wohnung im Blumental. Sie war tatsächlich eingeschlafen, obwohl sie doch noch in der Nacht klammheimlich die Biege machen wollte. Bestimmt war die weiße Bettwäsche daran schuld. Mit einem Schlaf fördernden Weichspüler parfümiert oder so was. Vorsichtig lugte sie aus dem Zimmer. Alle Türen waren verschlossen, Lovis und sein Vater schliefen also noch. Ein Blick auf das Handydisplay. Halb sieben. Die Küche war aufgeräumt, der Frühstückstisch für drei gedeckt. Sie sollte zusehen, dass sie hier weg kam. Aber vorher noch mal einem Blick in den vollen Kühlschrank. Sie griff sich den restlichen Schinken, ein Stück Käse, eine Packung Tortellini. Die stacheligen Blätter, die vorwitzig aus dem Gemüsefach herausragten, forderten regelrecht dazu auf, auch noch die Ananas zu stibitzen. Sie roch fantastisch. Es war lange her, dass Jenny ein Stück frische Ananas gegessen hatte.

Zurück in ihrem Zimmer verstaute sie alles in ihrem Rucksack, schlich sich zur Wohnungstür, wo Rintintin schon ungeduldig wartete. Gemeinsam hasteten sie die teppichbelegten Treppen nach unten, nervös wie Diebe, die Angst hatten, erwischt zu werden. Jenny atmete auf, als die Überwachungskameras bei ihrem Gang nach draußen keinen Alarm auslösten. Rintintin lief los, suchte sich einen Pinkel-Baum. Jenny wartete nicht auf ihn. Sie wusste, dass er ihr folgen würde. Mit eiligen Schritten lief sie in Richtung Ebertplatz. Sie wollte diese feine Gegend möglichst schnell hinter sich lassen.

Sie kam zehn Minuten zu früh in der Schule an. Rintintin vertraute sie der tierlieben Frau Huber aus der Schulbibliothek an, die ihr ausnahmsweise den Gefallen tat, bis Schulschluss auf den Hund aufzupassen. Dann rief sie Joe-Joe auf dem Handy an. Sie weckte ihn, er lag noch im Bett. »Los, steh auf. Du musst in die Schule!« Nicht ein einziges Mal schaffte es Jasmin, ihn pünktlich loszuschicken.

Erste Stunde Deutsch bei der Safranski, die Hausaufgaben hatte Jenny diesmal gemacht. Doch das half ihr nicht, die Safranski bestellte sie trotzdem nach der Stunde zu sich und fragte wieder nach dem Geld für die Klassenfahrt.

»Morgen bringe ich das Geld, ganz bestimmt«, log Jenny. »Meine Mutter geht heute Nachmittag zur Bank.«

»Jenny!« Die Safranski seufzte tief und klappte das Klassenbuch zu, in dem sie bis jetzt noch geschrieben hatte. Bewusst langsam schraubte sie ihren Füller zu und fixierte Jenny dabei mit ihren Röntgenaugen.

»Ich weiß, dass ihr nicht viel Geld habt. Wenn du den Betrag nicht bezahlen kannst, stelle ich bei unserem Förderverein einen Antrag auf Zuschuss. Die haben einen Topf zur Unterstützung von bedürftigen Schülern. Also?«

Bedürftig! Das klang nach Almosen, nach Bettelei. Die Kommentare der Mitschüler konnte sich Jenny sehr gut vorstellen. Nein danke! Sie wollte nicht bedürftig sein. Sie war kein Mensch zweiter Klasse. Sie wollte das Geld für die Klassenfahrt bezahlen wie alle anderen auch.



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