50 Jahre BRAVO – Eine Jugendzeitschrift als Spiegel der Zeitgeschichte by Stefanie Herrmann

50 Jahre BRAVO – Eine Jugendzeitschrift als Spiegel der Zeitgeschichte by Stefanie Herrmann

Autor:Stefanie Herrmann [Herrmann, Stefanie]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Archiv der Jugendkulturen Verlag
veröffentlicht: 2015-04-02T16:00:00+00:00


5.5 Zwischen Angst und Euphorie – Die 1980er Jahre

In den 1980er Jahren standen insbesondere zwei zeitgeschichtliche Ereignisse im Mittelpunkt: der Reaktorunfall in Tschernobyl und die Wende im geteilten Deutschland. Beide Ereignisse weisen eine erhebliche Relevanz für Jugendliche auf und sollen daher an dieser Stelle untersucht werden.

Am 26. April 1986 geriet im Kernkraftwerk Tschernobyl ein Reaktor in Block vier außer Kontrolle und löste die bis dato folgenschwerste nukleare Katastrophe der Geschichte aus. Bei einem Test hatte die Verringerung des Kühlmitteldurchflusses zu einer Überhitzung der Brennstäbe geführt, so dass die Leistung des Reaktors unkontrolliert anstieg und dieser explodierte. Anschließend zerstörte eine weitere Explosion das Gebäude. Da dieses nicht durch einen Sicherheitsbehälter abgeschirmt war, wurden radioaktive Stoffe freigesetzt, die sich in einer Wolke über ganz Europa ausbreiteten. Die deutschen Behörden sprachen Warnhinweise und sogar Verkaufsverbote für frische Lebensmittel aus, die Bevölkerung war verunsichert und verängstigt. Die unmittelbare Umgebung des Kernkraftwerks wurde so stark verstrahlt, dass sie bis heute unbewohnbar ist, zahlreiche Helfer und Anwohner starben durch die Strahlenbelastung oder deren Spätfolgen.183

Doch nicht nur Angst bestimmte das Jahrzehnt, sondern auch Hoffnung und Euphorie. Gegen Ende der 1980er Jahre kündigten sich mit Michail Gorbatschow als neuem Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion KPdSU) Veränderungen im sozialistischen Ostblock an. Seine Reformen, bekannt geworden unter den Schlagworten „Perestroika“ und „Glasnost“,184 führten 1991 letztlich zur Auflösung der Sowjetunion. Auch in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) blieben die Reformen nicht ohne Folgen. Zwar wurden Gorbatschows Neuerungen von der DDR-Führung strikt abgelehnt, doch formierten sich im Laufe der Zeit unter der Bevölkerung immer mehr Gruppierungen, die gegen das DDR-Regime protestierten. Im Sommer/Herbst 1989 entwickelte sich eine, zunächst kleine, Protestbewegung zu einer Massenbewegung unter der Bevölkerung. Gleichzeitig flohen immer mehr Bürger aus der DDR. Die Ausreisewelle und die Massendemonstrationen führten im Oktober 1989 zum Rücktritt Erich Honeckers als Staats- und Parteichef. Am 9. November 1989 wurden die deutsch-deutschen Grenzen geöffnet und tausende DDR-Bürger kamen noch in derselben Nacht in den Westen. Bei den Demonstrationen wurde ab diesem Zeitpunkt zunehmend die Einheit Deutschlands gefordert, und so erreichte das Wahlbündnis Allianz für Deutschland, das sich für eine Vereinigung aussprach, bei den ersten freien Wahlen der DDR im März 1990 die Mehrheit der Stimmen. Die neue Regierung handelte schließlich im Sommer 1990 mit der bundesdeutschen Regierung den Einigungsvertrag aus. Auf dessen Grundlage trat die DDR am 3. Oktober 1990 schließlich der Bundesrepublik bei.185 Doch bevor auf die Berichterstattung über die Wiedervereinigung eingegangen wird, soll zunächst die Thematisierung des Reaktorunglücks in Tschernobyl untersucht werden.

Wie bereits erwähnt, ereignete sich der Unfall am 26. April 1986, doch BRAVO greift das Thema erst ab dem 22. Mai 1986 auf, also einen knappen Monat später. In der „BRAVO-Umfrage der Woche“ werden dabei sechs Jugendliche zur Katastrophe in Tschernobyl befragt.186 Alle Jugendlichen erzählen, dass sie Einschränkungen wegen des Reaktorunfalls hinnehmen müssen und gestehen, dass sie aufgrund der Situation Angst haben. Insgesamt wird in diesem Bericht die Hilflosigkeit, aber auch die Empörung der Jugendlichen besonders deutlich. Die 14-jährige Nicole M. beispielsweise beschäftige sich seit dem Reaktorunglück intensiv mit dem Tagesgeschehen und



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