16 Uhr 50 ab Paddington by Agatha Christie
Autor:Agatha Christie
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783596511150
Herausgeber: Fischer Taschenbuch Vlg.
veröffentlicht: 2009-10-14T22:00:00+00:00
“Oh, vielen, vielen Dank! Dürfte ich wohl…? Oh, Ei und Sardinen! Ich fürchte, ich bin immer etwas gierig beim Tee. Wenn man älter wird, wissen Sie… Aber abends natürlich nur ein sehr leichtes Essen…” Sie wandte sich wieder an die Gastgeberin. “Was für ein schönes Haus Sie haben! Und so viele schöne Dinge darin! Diese Bronzen da zum Beispiel. Die erinnern mich an Bronzen, die mein Vater auf der Pariser Weltausstellung kaufte. - Und wie nett ist es, daß Sie Ihre Brüder um sich haben! Nur zu oft leben die einzelnen Mitglieder einer Familie weit zerstreut.”
“Zwei meiner Brüder wohnen in London.”
“Das ist doch sehr schön für Sie.”
“Mein Bruder Cedric ist Maler. Er lebt auf Ibiza.”
“Die Maler lieben die Inseln”, erklärte Miss Marple. “Ist es nicht so? Zum Beispiel Gauguin…”
“Erzählen Sie uns etwas von Lucy, wie sie als Kind war, Miss Marple”, unterbrach Cedric sie.
Sie strahlte ihn an.
“Lucy war immer so klug”, sagte sie. “Ja, das warst du, meine Liebe - unterbrich mich nicht. Bemerkenswert begabt für Arithmetik. Sie konnte glänzend rechnen. Ich erinnere mich noch, als der Schlachter mir für das Fleisch zuviel abverlangt hatte…”
Miss Marple schwelgte in Erinnerungen an Lucys Kindheit und ging dann zu Erfahrungen über, die sie in ihrem eigenen Dorfleben gemacht hatte.
Ihr Redefluß wurde unterbrochen, als Bryan eintrat.
Mit ihm kamen die beiden Jungen, die auf ihrer Jagd nach Indizien ziemlich naß und schmutzig geworden waren.
Gleich darauf folgte Dr. Quimper, der, als er mit der alten Dame bekannt gemacht wurde, etwas verwundert schien.
“Ich hoffe, Ihr Vater leidet nicht unter dem Wetter, Miss Emma?”
“O nein - das heißt, er fühlte sich heute nachmittag etwas müde -”
“Er sieht Besucher nicht gern, vermute ich”, ließ Miss Marple sich vernehmen.
“Er nimmt seinen Tee immer im Arbeitszimmer, wenn seine lieben Söhne kommen”, erklärte Cedric. “Psychologisch kann das ja nicht überraschen. Nicht wahr, Dr. Quimper?”
Dr. Quimper, der mit der Miene eines Mannes, dem für gewöhnlich wenig Zeit zum Essen bleibt, herzhaft zulangte, entgegnete: “Psychologie ist schon recht, wenn man sie den Psychologen überläßt. Schlimm ist nur, daß heutzutage jedermann den Amateurpsychologen spielt. Meine Patienten berichten mir ganz genau, an welchen Komplexen und Neurosen sie leiden, und nehmen mir so jede Möglichkeit, es ihnen selbst zu sagen. Danke, Miss Emma, ich trinke gern noch eine Tasse. Hatte heute noch keine Zeit zu essen.”
“Ich stelle mir das Leben eines Arztes sehr edel und entsagungsvoll vor”, bemerkte Miss Marple.
“Dann kennen Sie wohl nicht viele Ärzte”, erwiderte Dr. Quimper. “Blutsauger werden sie genannt, und oft sind sie es auch. Nun, heutzutage bekommen wir wenigstens unser Honorar. Dafür sorgt der Staat. Wir brauchen keine Rechnungen mehr auszustellen, von denen wir wissen, daß sie nie beglichen werden. Unerfreulich ist nur, daß alle Patienten entschlossen scheinen, soviel wie möglich aus der Regierung ‘herauszuholen’, und die Folge ist, daß für jeden unbedeutenden Husten und jede leichte Verdauungsstörung der Arzt mitten in der Nacht aus den Federn muß. Nun, da ist nichts zu machen. - Ausgezeichneter Kuchen, Miss Emma. Sie verstehen es, zu backen.”
“Miss Eyelesbarrow hat ihn gebacken, nicht ich.”
“Sie backen ebenso gut”, erwiderte Quimper höflich.
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