Zwei Zimmer, Küche, Tim by Finn Van Lohn

Zwei Zimmer, Küche, Tim by Finn Van Lohn

Autor:Finn Van Lohn
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmünder
veröffentlicht: 2018-11-15T00:00:00+00:00


IV.

Die Schwulen in Berlin sind komisch. Zumindest sind sie ganz anders als wir in Spanien. Bei vielen hier hat man das Gefühl, sie wollen gar nicht dazugehören zum großen Rest. Und schon gar nicht wollen sie unauffällig sein. Als wären sie stolz darauf, ein anderes Leben zu führen als die ›normalen‹ Menschen, weil sie sich freier fühlen, wenn sie sich den Normen der anderen verweigern. Zumindest habe ich das bisher so verstanden. Kannst du dir vorstellen, dass sich manche von ihnen gar nicht gefreut haben, als sie endlich auch in Deutschland heiraten durften? Weil sie die Ehe nicht als etwas Schönes empfinden, sondern als Einschränkung ihrer Freiheit? Und vor allem als Angriff auf ihr Anderssein? Ich glaube, du wirst dich noch über vieles wundern, wenn du endlich hier bist.

'War mir nicht sicher, ob du tatsächlich kommen würdest', sagte Tim, als er um die Ecke bog, und seine Stimme klang zur Abwechslung mal nicht spöttisch.

'Ich mir auch nicht', gab Joaquin zurück. 'Zu Ende gefickt?'

'Oh, noch lange nicht!' Da war sie wieder, diese süffisante Überheblichkeit. 'Eifersüchtig?'

Joaquin ging nicht darauf ein. 'Was machen wir jetzt?', fragte er nur.

'Wir gehen auf eine Party. Ziemlich aufregend, oder?'

Joaquin zuckte mit den Schultern. Aber er sagte auch nichts dagegen. Wieder nahm Tim ihn bei der Hand, und sie liefen los. Eine Weile kämpften sie sich schweigend durch den Schneesturm, der schon seit dem frühen Abend über der Stadt tobte, wobei Tim für Joaquins Empfinden mal wieder viel zu dünn angezogen war. 'Frierst du eigentlich nie?', fragte er, nachdem sie bestimmt schon eine Viertelstunde nebeneinanderher gelaufen waren, ohne ein Wort zu wechseln.

'Keine Sorge', gab der grinsend zurück. 'Ich hab sibirisches Blut in den Adern'.

Und die Wichse eines ekelhaften Alten im Arsch, dachte Joaquin und wunderte sich über seine eigene Wortwahl. Aber er war nicht derjenige, der sich schämen sollte. Kurz überlegte er, warum er den Gedanken nicht einfach laut aussprach, aber er wusste, dass Tim es nur darauf angelegt hatte, dass er ihm eine Szene machen würde. Also schwieg er lieber und vergrub sich noch tiefer in seiner Jacke.

Vor einem unscheinbaren Stahltor in einem Nachkriegswohnblock blieben sie stehen.

'Und da sind wir auch schon', sagte Tim und hämmerte drei Mal kräftig gegen die Tür.

Schon? Joaquin zitterte am ganzen Körper, und er beschloss, für den Heimweg auf jeden Fall ein Taxi zu nehmen. Auch wenn er sich das eigentlich nicht leisten konnte.

Ein fies dreinschauender Kerl mit langem Bart und Lederweste öffnete ihnen, doch sein Blick wurde sofort weich, als er Tim erkannte. Wie der perverse Bruder vom Weihnachtsmann strich er ihm über die schneebedeckten Haare und kniff ihn danach auch noch fest in die Wange. Joaquin nickte er nur ausdruckslos zu, nachdem er ihn kurz gemustert hatte, dann trat er zur Seite, um die beiden reinzulassen.

'Bereit?', fragte Tim.

'Ich glaube nicht.'

'Hervorragend! Dann macht’s am meisten Spaß.' Er drückte Joaquins Hand ganz fest und zog ihn mit sich in die Dunkelheit.

Joaquin hatte davon gehört, dass es Orte wie diesen gab, in Barcelona und vielleicht auch in Madrid. Aber er war noch nie



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