Wolfgang Bosbach: Jetzt erst recht! by Anna von Bayern

Wolfgang Bosbach: Jetzt erst recht! by Anna von Bayern

Autor:Anna von Bayern [von Bayern, Anna]
Die sprache: eng
Format: azw3
Herausgeber: Heyne, 2014
veröffentlicht: 2014-02-03T23:00:00+00:00


PUTSCHPARTY

Karrieren in der Politik mögen nur bedingt planbar sein, doch sie folgen gewissen Gesetzmäßigkeiten. So empfiehlt es sich, auf der richtigen Seite zu stehen, wenn sich das innerparteiliche Machtgefüge verschiebt. Bosbach, CDU-Obmann des Innenausschusses im inzwischen nach Berlin umgezogenen Bundestag, gelingt dies in der spektakulären Realsatire, die als CDU-Spendenaffäre in die Geschichte der Bundesrepublik eingeht. Schon der Umzug an sich hatte übrigens satirische Züge, Bosbach war nie ein Fan davon gewesen, und das nicht nur wegen der Kosten von schlappen 20 Milliarden Mark. Allein der Begriff »Berliner Republik« störte ihn. Bonn stand in seinen Augen für Bescheidenheit und »die 50 besten Jahre Deutschlands«.84 Berlin ist im Gegensatz dazu groß, unpersönlich und unübersichtlich, ebenso wie der Umzug. Als Bosbach sein Büro in der neuen Hauptstadt beziehen will, tauchen zunächst unversehrt nur seine drei Topfpalmen auf. Der Schreibtisch ist in seine Einzelteile zerlegt. Immerhin ergeht es Bosbach besser als Norbert Röttgen, dessen gesamtes Inventar verschollen ist. Bosbach fehlt zwar das Sofa, dafür hat er plötzlich zwei Fernsehschränke. Das Tauschgeschäft blüht, weil in der ganzen Stadt kaum noch Büromöbel zu finden sind. »Es ging zu wie auf einem orientalischen Basar«, sagt Bosbach. Mit einem Parteifreund tauscht er eine Schlafcouch gegen zwei Regale, damit wenigstens die Akten eingeräumt werden können. Und um zu verhindern, dass mühsam zusammengesuchte Möbel über Nacht wieder verschwinden, wird er schließlich richtig kreativ. Als eine Kollegin und er eines Abends ihre Schränke im Flur stehen lassen müssen, kleben sie Zettel darauf. Die Kollegin schreibt an ihren Schrank: »Bitte stehen lassen«, Bosbach an den seinen: »Türen defekt, bitte reparieren.« Am nächsten Tag ist der Schrank der Kollegin weg, der Bosbachs wurde nicht angerührt.

Stühle gibt es weiterhin keine. Seine Mitarbeiterinnen Doreen Hass und Ute Scheidt, die mit nach Berlin umgezogen sind, sitzen zunächst bei der Arbeit auf dem Boden. Viel gibt es ohnehin nicht zu tun, weil die Postzustellung etwa drei Wochen verzögert ist und sich damit viele Anfragen von selbst erledigen. In der ersten Woche funktionieren weder Telefon noch Fax. Besonders ärgerlich: Die Anrufer hören ein Freizeichen, die Mitarbeiter aber keinen Klingelton. Der Anrufbeantworter lässt sich erst einschalten, nachdem eine Geheimnummer eingegeben ist, die jedoch – getreu ihrer Bezeichnung – von der Bundestagsverwaltung zunächst geheim gehalten wird. Es sei filmreif gewesen, sagt Bosbach, nur wusste er nicht, ob es eine Tragödie oder eine Komödie werden sollte. Man hätte eine Charakterstudie der Kollegen machen können. Manche hätten sich mit endlosen Beschwerdetiraden beschäftigt, andere seien in Depressionen verfallen. Am meisten ärgert Bosbach sich über den Sozialdemokraten Peter Struck, der sich öffentlich über eine fehlende Klimaanlage in seinem Büro echauffierte. »Dessen Sorgen möchte ich haben«, sagt Bosbach; mangels Waschgelegenheiten müssten seine eigenen Mitarbeiterinnen ihre Kaffeetassen auf dem Klo abspülen.85 Er hoffe darauf, dass sich die Dinge im Laufe der Zeit schon regeln werden. Doch das Chaos legt sich nicht. Für seine Partei bricht es zwei Monate später erst richtig aus.

Nachdem am 4. November 1999 gegen den CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep ein Haftbefehl wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung erlassen wurde, kommt nach und nach Kohls



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.