Weihnachten in der Ferne by Katie Fforde

Weihnachten in der Ferne by Katie Fforde

Autor:Katie Fforde [Katie Fforde]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2016-07-30T09:41:38+00:00


Liebe am Nachmittag

Olivia sah dem gut aussehenden italienischen Küchenchef zu, der ihnen beibrachte, wie man Ravioli herstellt, und überlegte, warum sie sich das angetan hatte. Wäre es nicht das Geschenk für ihre beste Freundin zum Junggesellinnenabschied gewesen, hätte sie sicher nie im Leben an einem Kochkurs teilgenommen. Schon gar nicht an einem, der vierzehn Tage dauerte. Alles, was mit der Nahrungsherstellung zusammenhing, war irgendwie unordentlich und unvorhersehbar, und Olivia hasste Unordnung. Am meisten dann, wenn sie dazu auch noch klebrig war. Aus dem gleichen Grund verspürte sie übrigens auch wenig Neigung zum Sex.

Aber sie konnte es ebenfalls nicht leiden, wenn man sie übersah oder wenn sie keinen Erfolg hatte. In aller Regel vermied sie beides. Sie traf die richtige Wahl, und sie arbeitete hart. Wieso also bekam sie diesen jungen Mann nicht dazu, sie zumindest zu bemerken? Sie legte keinen Wert darauf, als Frau bewundert zu werden, sondern ihr war wichtig, als jemand anerkannt zu werden, der die Vorgaben befolgte und alles richtig machte.

Und so gab sie sich noch mehr Mühe. Sie trieb die Liste der Speisefolgen und Gerichte auf, die man ihnen beibringen würde. Nachmittags, wenn ihre beste Freundin Hannah und die anderen Frauen Siesta machten oder zu Besichtigungstouren und zum Einkaufsbummel aufbrachen, ging sie zurück in die leere Küche und übte. Vor allem den Umgang mit dem Messer. Inzwischen konnte sie Tomaten, Gurken, Peperoni und Zucchini in so winzige Partikel zerteilen, dass sie an Zuckerkristalle erinnerten. Olivia zerschnitt Sellerie zu transparenten Halbmonden, Karotten zu Streichhölzern und Petersilie zu Bergen smaragdfarbenen Staubs. Sie übte das Schneiden von Zwiebeln, bis sie in der Lage war, sie innerhalb von Sekunden zur Konsistenz von Steinsalz zu verarbeiten. Tapfer ignorierte sie die Tränen, die ihr dabei über das Gesicht strömten.

Am fünften Tag des Kochkurses hielt sie es nicht länger aus. »Warum sagen Sie eigentlich nie etwas zu mir?«, fragte sie ihren Kochlehrer, als dieser gerade die Küche verlassen wollte. »Nie loben Sie mich. Sie kritisieren mich nicht einmal.«

Er war ein strenger Lehrer, der manchmal zu vergessen schien, dass seine Schüler hier ihre Ferien verbrachten und nicht zu Meisterköchen ausgebildet werden sollten. Aber selbst als Olivias Pasta zu Kleister verkochte, sagte er nichts.

Er musterte sie von ihrem glatten, streng zusammengebundenen Haar über das ungeschminkte Gesicht bis hin zu ihren in Turnschuhen steckenden Füßen. »Weil Sie nicht kochen lernen müssen«, antwortete er. »Sie müssen erst einmal lernen, wie man isst. Vielleicht sogar, wie man lebt.« Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ die Küche.

Olivia schäumte vor Wut. Wie konnte er es wagen! Sie wusste sehr genau, wie man lebte, wie man das Leben meisterte und wie man seinen Körper in Form hielt. Für wen hielt sich dieser dahergelaufene Koch, ihr erklären zu wollen, sie wüsste nicht, wie man lebt? Nur für eine Sekunde kamen ihr leise Zweifel. Lag sie richtig? Hatte sie wirklich ihr Leben im Griff? War nicht alles ein wenig öde? Aber schnell verscheuchte sie diesen beunruhigenden Gedanken wieder und tat das, was sie immer tat, wenn sie sich ärgerte: Sie ging joggen.



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