Was tue ich hier eigentlich? • Philosophisch denken lernen und nebenbei das Leben verstehen by Dierks Nicolas

Was tue ich hier eigentlich? • Philosophisch denken lernen und nebenbei das Leben verstehen by Dierks Nicolas

Autor:Dierks, Nicolas [Dierks, Nicolas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644517714
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-12-27T16:00:00+00:00


Sinnvolle Zweifel im Alltag

Zurück zu unserer Frage vom Anfang: Können wir überhaupt noch etwas mit Sicherheit wissen? Nun – nach dem, was wir bis jetzt erörtert haben, muss die Frage ganz anders gestellt werden. Vom Konzept absoluten Wissens wechselten wir zum Konzept praktisch hinreichenden Wissens über. Und diese Konzeption praktischen, teils impliziten, teils überhaupt unartikulierbaren Wissens ist verwurzelt in der Auffassung der auch erkenntnistheoretisch fundamentalen Bedeutung von Intersubjektivität.

In der Nachfolge Wittgensteins ist Wissen etwas anderes als «sich sicher sein» – es ist ein intersubjektives Konzept. Ganz gleich, welche Überlegungen, Untersuchungen etc. ich angestellt habe: Ich kann rein subjektiv keinen Unterschied machen, ob ich etwas wirklich weiß oder ob ich es zu wissen glaube. Hier eröffnet sich ein überraschender Zusammenhang mit der Weisheit des Sokrates.

Sicherlich ist es faszinierend, sich auf die Suche nach den letzten Sicherheiten des Lebens zu begeben. Doch jetzt können wir erkennen, dass der radikale Skeptiker der Weisheit des Sokrates eine eigentümliche Wendung gegeben hatte. Descartes hatte den subjektiven Ausgangspunkt gewählt, um die sokratische Unterscheidung von subjektivem «glauben zu wissen» zum tatsächlichen «wissen» zu überbrücken. Natürlich ist es richtig, dass ich meine Überzeugungen selbst entwickeln und deshalb vieles in Zweifel ziehen sollte. Aber wenn ich wie Descartes das reine, denkende Ich zum Ausgangspunkt wähle, dann schneide ich mich, folgte man dem Skeptizismus, gleichzeitig von der Möglichkeit des Wissens über die Welt ab.

Den Schritt von der subjektiven Sicherheit zum Wissen können wir nur gehen, weil wir uns in einem intersubjektiven Raum bewegen, uns also mit anderen Menschen austauschen. Gegenseitig können wir uns auf eine Art korrigieren oder bestätigen, die dem Einzelnen allein nicht zur Verfügung steht. Nach unseren gemeinsamen Kriterien können wir hinreichend unterscheiden, ob jemand nur glaubt etwas zu wissen oder es tatsächlich tut. Genau diese Unterscheidbarkeit fällt aus der subjektiven Perspektive in sich zusammen.

Zuletzt scheint die Frage, ob wir manchmal Dinge hinreichend sicher wissen, doch trivial zu sein. Wir können gar nicht anders, wie Wittgenstein gezeigt hat, als uns vieler Annahmen sicher zu sein. Man könnte gewissermaßen sagen, dass die Frage sich selbst beantwortet, denn im Alltag haben wir ein praktisches Verständnis dessen, wann jemand – z.B. wir – etwas weiß. Sogar der Zweifel selbst setzt Sicherheiten voraus – wie eine Tür nur in festen Angeln schwingen kann.

Unser Ziel kann demnach gar nicht sein, in all unseren Lebensfragen maximale Sicherheit des Wissens zu erlangen. Unser Ziel muss vielmehr sein, angemessen zu urteilen. Und um das zu erreichen, pendeln wir zwischen sinnvollen Zweifeln und hinreichenden Sicherheiten.

Die konkrete Frage ist, ob ich in einer bestimmten Situation über die angemessenen Kriterien zur Beurteilung der Situation verfüge. Wenn nicht, dann verstehe ich die Situation nicht richtig, rechne mit falschen Optionen, behandle andere unfair (oder mich selbst).

Um nicht unfair zu sein, zweifle ich z.B. entschieden an der Bedrohlichkeit eines Autofahrers namens Martin. Es kommt nicht darauf an, ob hinter unserer Wahrnehmung eine «wirkliche Wirklichkeit» existiert, die wir erkennen können (müssten). Es kommt darauf an, wie wir unsere Welt sehen und wie wir mit sinnvollem und begründetem Zweifel umgehen.

Das ist der produktive Zweifel,



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